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Skandale auf dem Zenit

Vera Möller-Holtkamp15. August 2008

Die Kolumbianer verehren ihren Präsidenten wie einen Messias. Heilsbringer Uribe drängte die Guerilla zurück, brachte mehr Sicherheit. Vor den Gefahren der wachsenden Machtfülle verschließt das Volk aber seine Augen.

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Álvaro Uribe jubelnd bei seiner zweiten Amtseinführung (AP, 7.08.08)
Uribe jubelnd bei seiner zweiten Amtseinführung. War sie rechtmäßig? (07.08.2006)Bild: AP

Carmen del Bolívar liegt in einem Tal, eingebettet von grünen Bergen, den Montes de María. Um die 100.000-Einwohnerstadt herum werden Mais, Yukka und Mangos angebaut. Carmen wirkt in seiner verschlafenen Schönheit wie ein unberührtes Idyll. Die Erinnerungen an den Guerillakrieg sind hier im äußersten Norden des Landes aber noch sehr wach. Das Massaker "El Salao", bei dem am 18. Feburar 2000 mehr als 100 Menschen starben, ist eines der berüchtigsten der Region, aber nur eines von vielen.

Die Stadt Carmen del Bolivar, dahinter die Montes de María (DW, Vera Möller-Holtkamp, 02.08.08)
Carmen del Bolívar - dahinter die Montes de María Rückzugsort der Guerilla und Versteck vieler GeiselnBild: Vera Möller-Holtkamp

Heute ist Carmen del Bolívar ein Symbol für die zurück gewonnene Sicherheit. Staatspräsident Álvaro Uribe hatte die Region vor einigen Jahren als "Zona Roja", rote Zone, eingestuft, weil sich hier die linksgerichtete Guerillaorganisation FARC und die rechten Paramilitärs blutig bekämpften. Dann schickte Uribe das Militär. Es drängte die Terrorgruppen weit in den Dschungel zurück.

"Endlich Ruhe!"

"Endlich haben wir wieder ein Leben", sagt Luz María Torres, eine 44 Jahre alte Verwaltungsangestellte aus Carmen del Bolívar. "Wir sitzen wieder bis abends auf der Veranda. Das haben wir unserem Herrn Präsidenten zu verdanken." Laut Umfragen stehen mehr als 80 Prozent der Kolumbianer stramm hinter ihrem Präsidenten. Gerade feierte er Halbzeit seiner zweiten Amtsperiode. Und er will bleiben. Das Lager Uribe rührt die Werbetrommel für eine dritte Amtszeit.

Luz María Torres vor ihrem Haus (DW, Vera Möller-Holtkamp, 02.08.08)
Luz María Torres vor ihrem HausBild: Vera Möller-Holtkamp

Der Staat hat die Souveränität in vielen Teilen des Landes zurückerobert. Nach mehr als 40 Jahren des bewaffneten Kampfes ist wieder etwas Normalität eingekehrt. Die Befreiung der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt am 2. Juli 2008 setzte der Erfolgsstory Uribe noch ein Krönchen auf.

Schattenseiten und Skandale der Regierung Uribe

Dabei hat die Regierung doch immer wieder mit Skandalen zu kämpfen, die an ihrem Image kratzen müssten. Die Befreiungsaktion "Operation Jaque" (Schach), bei der Ingrid Betancourt frei kam, zieht einen internationalen Völkerrechtsskandal nach sich. Das Militär hatte zur Tarnung einen Hubschrauber mit dem Rotkreuz-Logo beklebt, die Helfer trugen Rotkreuz-Hemden. Damit hat das Land gegen die Genfer Konvention verstoßen und gefährdete künftige Geiselfreilassungen, weil es meist Rote-Kreuz-Mitarbeiter sind, denen die Opfer übergeben werden. Bei Erklärungsversuchen gegenüber der internationalen Gemeinschaft verstrickte sich Uribe in Widersprüche, ein diplomatischer Supergau. Im Land selbst jedoch prahlt er mit seinem starken Militär, das er am 7. August öffentlich als das "kreativste der Welt" pries.

Befreiung von Ingrid Betancourt, Video der kolumbianischen Armee (AP, 02.07.2008)
Nach sechs Jahren Geiselhaft - die spektakuläre BefreiungsaktionBild: AP

Die Befreiungsaktion vernebelt den Blick der Öffentlichkeit auch auf einen innenpolitischen Skandal, der Uribe das Amt kosten könnte. Im Juni hatte sich die frühere konservative Kongressabgeordnete Yidis Medina der Bestechlichkeit bezichtigt und zugegeben, 2004 im Parlament einer für die Wiederwahl Uribes notwendigen Verfassungsänderung zugestimmt zu haben. Dafür hatten ihr Regierungsvertreter lukrative Posten für Freunde angeboten, sagte sie vor Gericht aus. Bei einem Treffen sei Uribe sogar selbst anwesend gewesen. Yidis Medina wurde zu drei Jahren und elf Monaten Gefängnis verurteilt.

Ist Uribes Präsidentschaft rechtmäßig?

2004 war die kolumbianische Verfassung mit äußerst knapper Mehrheit geändert worden, um die bis dahin verbotene Wiederwahl eines Präsidenten, nämlich Uribe, zu ermöglichen. Und nicht nur an Yidis Medina seien in dieser Angelegenheit Schmiergelder aus der Staatskasse geflossen. In den kolumbianischen Medien kursieren noch andere Namen. Das Verfassungsgericht Kolumbiens beschäftigt sich seither mit dem Fall, prüft die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaft und will auch Alvaro Uribe vorladen.

Der hat allerdings zum Gegenangriff geblasen und bezichtigte Mitglieder der Strafkammer, Verbindungen zu Drogenhändlern zu haben. Ende Juni (26.06) kündigte er in einer Fernsehansprache an, das Volk über seine zweite Wiederwahl entscheiden zu lassen. Und das sammelt fleißig Unterschriften für ihren Präsidenten. Etwas mehr als 1,4 Millionen sind nötig, bisher sind schon mehr als fünf Millionen Unterschriften zusammengekommen. Wenn die Echtheit überprüft ist, wird das Anliegen dem Kongress vorgelegt, der etwa drei Monate über den Fall beraten will.

Kolumbiens Präsidentengarde in Bogotá (AP, 11.03.2007)
Präsidentengarde in BogotáBild: AP

Der ehemalige konservative Staatspräsident Kolumbiens César Gaviria versucht indes die Kräfte für eine Ablösung Uribes zu sammeln - auch Partei übergreifend. Er hat sogar die Reformpolitikerin Ingrid Betancourt aufgefordert, ihn dabei zu unterstützen. Eine erneute Verfassungsänderung zugunsten Uribes will Gaviria verhindern. Am Montag (11.08.08) sagte er der spanischen Presseagentur EFE, eine dritte Amtszeit Uribes sei "nicht gut für das politische System Kolumbiens".

Amnestie durch Volkes Stimme?

Bei Popularitätswerten von 80 Prozent kann sich Uribe sicher sein, die Machtprobe eines Referendums für sich zu entscheiden, wenn sie denn kommt.

Die Menschen in Carmen del Bolívar würde das freuen. Bestechungsskandale erregen die Gemüter kaum. Hier kennt man eine rauere Realität, und der Glaube ins politische System muss sich erst noch entwickeln. Für die Menschen zählt nur das Ergebnis der Politik der Regierung: die Sicherheit. Viele Bauern fahren in diesem Jahr seit langer Zeit ihre erste Ernte ein. Die Länder um Carmen del Bolívar waren über Jahre hinweg verwaist, die Böden unbestellt. Die Bauern wurden von Terroristen von den Ländern vertrieben, viele ermordet oder zum Überlaufen gezwungen. Damals war Krieg. Heute stehen die Felder in voller Blüte.

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