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Ägypten vor dem Abgrund?

Diana Hodali9. Juli 2013

Keine Regierung, keine Verfassung, Generäle an der Macht und zornige Islamisten auf den Straßen: Seit der Absetzung von Präsident Mursi durch das Militär herrscht Chaos in Ägypten. Droht die Rache der Muslimbrüder?

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Ägypten Muslimbrüder und das Militär stehen sich gegenüber (Foto: EPA)
Ägypten Muslimbrüder und das Militär stehen sich gegenüberBild: picture-alliance/dpa

Als Mohammed Mursi zur Wahl antrat, versprach er, der Präsident des gesamten ägyptischen Volkes zu sein. Doch Mursi, so der ägyptische Politologe Amr Hashim Rabea vom Al-Ahram Zentrum für politische und strategische Studien (ACPSS) in Kairo, habe es nicht geschafft, alle politischen Kräfte unter sich zu vereinen. Dabei wäre es angesichts der desaströsen wirtschaftlichen Lage nötig gewesen, gemeinsam mit allen Parteien den Wiederaufbau des Landes voranzutreiben. Interimspräsident Adli Mansur wird Ägypten zwar nur bis zu den Wahlen führen. Doch sowohl er als auch der nächste frei gewählte Präsident werden vor einer großen Herausforderung stehen: Sie müssen das gespaltene Volk wieder zusammenführen.

Ringen um Demokratie in Ägypten

Ein Ägypten ohne Muslimbrüder?

Die Anhänger der "Tamarud" (Rebellion) - Kampagne haben eigenen Angaben zufolge über 20 Millionen Unterschriften gegen Mursi gesammelt, weil sie nicht mehr von den Muslimbrüdern regiert werden wollten. Aber kann es ein Ägypten ohne sie geben? Die Muslimbrüder sind fest in der Gesellschaft verankert und ihr Kandidat Mohammed Mursi hat die Wahl 2012 - wenn auch bei niedriger Wahlbeteiligung - mit 13,2 Millionen Stimmen gewonnen. "Vorerst wird es nicht leicht, die Muslimbrüder in den politischen Prozess einzubinden", sagt Amr Hashim Rabea.

Denn die Fronten scheinen verhärtet und der Konflikt zwischen Muslimbruderschaft und Militär eskaliert zunehmend. Bei Straßenschlachten sind in den vergangenen Tagen bereits dutzende Menschen ums Leben gekommen. "Es gibt einen enormen Zorn und eine hohe Frustration innerhalb der Muslimbrüder und das verdrängt derzeit noch das Nachdenken über die eigenen Fehler, die sie gemacht haben", sagt der Nahost-Experte Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Das werde sich sicherlich ändern, wenn es auch von Seiten des Militärs mehr Zurückhaltung gebe. Zwar hat die Armee Zurückhaltung bei der Neugestaltung der politischen Institutionen versprochen, doch gleichzeitig lässt sie die Zentrale der Muslimbrüder schließen und fahndet nach Führungsmitgliedern der Islamisten.

Am Dienstag (09. Juli 2013) lehnten die Muslimbrüder sowohl den neu eingesetzten Chef der Übergangsregierung, den Sozialdemokraten Hasem al-Beblawi, als auch einen Fahrplan für Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten ab. Die islamistische Nur-Partei erklärte dagegen ihre Unterstützung für al-Beblawi. "Der politische Islam hat einen schweren Schlag versetzt bekommen. Und sicherlich hat das auch zu einer Schwächung der Muslimbrüder geführt", sagt Volker Perthes von der SWP. Das wollen die Muslimbrüder nicht hinnehmen und haben jetzt zum Aufstand aufgerufen und warnen vor einem Bürgerkrieg. Im Internet kursieren Videos von Anhängern der Muslimbrüder, die von Anschlägen im gesamten Land sprechen, wenn Mursi nicht wieder ins Amt gehoben wird.

Zunehmende Gewalt in Ägypten

Volker Perthes geht davon aus, dass die Gewalt noch weiter eskaliert könnte. "Die muss aber nicht von den Muslimbrüdern ausgehen, sondern könnte von Kräften, die im Umfeld der Muslimbrüder anzusiedeln sind, so wie die Gamaa Islamiya, die eine terroristische Vergangenheit haben, ausgehen", sagt er. Die Gruppe hatte eigentlich in der Vergangenheit von Anschlägen Abstand genommen, weil sie die Wahl eines islamistischen Präsidenten als Alternative sah.

In der Bevölkerung macht sich aber die Sorge breit, dass sich auch die Muslimbrüder radikalisieren könnten und sich einem Neuaufbau des Landes verweigern. "Es wird in Zukunft sicher Teile der Muslimbrüder geben, die in Richtung Gewalt gehen. Aber es wird auch andere geben, die sagen, wir müssen jetzt eine moderne Partei gründen, von der klar ist, dass sie sich zur Demokratie verpflichtet", sagt Nahost-Experte Perthes.