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Ägyptens Universitäten

Mostafa Hashem/ Rainer Sollich 31. Oktober 2014

Oppositionelle und Aktivisten werden drangsaliert, doch die politischen Proteste und Ausschreitungen an Ägyptens Universitäten bekommt die Regierung bisher nicht in den Griff.

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Sicheheitskräfte in Ägypten
Bild: Getty Images/AFP/Khaled Desouki

Seit dem Sturz des früheren Präsidenten Mohamed Mursi im Juli 2013 haben Regierung und Militär in Ägypten die Zügel stark angezogen: Mursis Muslimbrüder werden als "Terroristen" verfolgt und mit drakonischen Strafen belegt, die linke säkuläre Jugendbewegung "6. April" wurde ebenfalls verboten, die staatliche Kontrolle über Menschenrechtsaktivisten und Journalisten massiv verschärft.

An den Universitäten regen sich jedoch immer wieder politische Proteste, die das Regime bisher trotz verstärkter Sicherheitsmaßnahmen nicht unter Kontrolle bekommt. Sie entfalten auch jenseits des Campus Wirkung. So beispielsweise am Dienstag (28.11.), als dutzende Studenten der renommierten islamischen Al-Azhar-Universität in Kairo mehrere Straßen und Autobahnauffahrten blockierten sowie Feuerwerkraketen abschossen, bevor die Polizei den Protesten mit Tränengas ein Ende setzte. Knapp eine Woche zuvor war es an der Universität Kairo sogar zu einem Bombenanschlag gekommen, elf Menschen wurden dabei verletzt. In Alexandria soll unterdessen ein Student an den Folgen einer Schussverletzung durch Sicherheitskräfte gestorben sein.

"Als ob wir Terroristen wären"

Dabei sind die Universitäten in den vergangenen Wochen und Monaten stark gegen jede Form des politischen Protests und auch gegen gewalttätige Aktionen "aufgerüstet" worden. Stahltüren, Metalldetektoren und Überwachungskameras prägen vielerorts das Bild. Wachhunde laufen auf dem Campus herum. Und die Studenten müssen umfangreiche Kontrollen und Untersuchungen über sich ergehen lassen, bevor sie zum Studieren in die Hörsäle gelassen werden. "Wenn ich in die Uni komme, habe ich inzwischen das Gefühl, ich würde einen Kriegsschauplatz betreten", klagt ein Student der Philosophischen Fakultät an der Uni Kairo gegenüber dem arabischen Programm der DW. "Das sind sehr penible Durchsuchungen. Man blickt auf uns, als ob wir potentielle Terroristen wären!" Aus Angst vor politischer Verfolgung möchte er anonym bleiben.

Kairo-Universität in Ägypten (Foto: Wafaa Albadry)
Trügerische Ruhe an der Universität KairoBild: Wafaa Albadry

Die Behörden versuchen, die Proteste an den Universitäten durch ein massives Aufgebot an staatlichen Sicherheitskräften und privaten Wachfirmen in den Griff zu bekommen. Sie wollen künftig sogar noch härter gegen die Proteste an Ägyptens Universitäten mit ihren landsweit etwa 1,5 Millionen Studenten vorgehen - auch gesetzlich: Hochschulminister Abdul Chalik erklärte zu einem neuen Gesetz, das die Strafverfolgung von Zivilisten durch Militärgerichte erleichtert, dieses diene ausdrücklich auch dem "Schutz für die Universitäten".

Neben Studenten gibt es durchaus auch höhere Universitätsangestellte, denen die politische Kontrolle missfällt: Leila Suweif, Professorin an der Universität Kairo, spricht von einem "Angriff auf die Unabhängigkeit der Universitäten" und von einem "Kontrollwahn, wie wir ihn zuvor noch nicht erlebt haben". Laut ihrer Darstellung überwacht der Staat inzwischen selbst die Wahl von Fakultäts-Dekanen. Zudem klagt Suweif, sie kenne inzwischen mehr als 90 Fälle, in denen Studenten ohne ordentliches Disziplinar-Verfahren der Universität verwiesen wurden. Ähnliche Fälle, sagt Suweif, seien auch aus Alexandria bekannt - dort sollen sieben Studenten wegen ihrer Teilnahme an Demonstrationen von der Universität ausgeschlossen worden seien.

Hazem Husni, Politologie-Professor an der Universität Kairo, kann den Protesten etwas Positives abgewinnen: "An den Universität sind junge Leute eben konzentriert anzutreffen. Folglich ist dort die Stimme der jungen Opposition deutlicher als anderswo zu vernehmen." Er fügt hinzu: "Ich glaube aber, dass sich derzeit generell eine neue Opposition formiert, auch wenn diese sich vielleicht noch nicht vollständig herauskristallisiert hat. Diese Opposition wird zumeist außerhalb der traditionellen Parteien auftreten. Und sie wird sich aus gebildeten und avantgardistischen jungen Leuten zusammensetzen, die verstehen, was um sie herum passiert."

"Unis werden Schauplatz eines Kampfes"

Anders sieht dies sein Kollege Aiman Abdel Wahhab, ebenfalls Professor an der Fakultät für Wirtschaft und Politologie der Universität Kairo. Die Universitäten seien zur "zur letzten Bastion für die oppositionellen Gruppen geworden", sagt er - und meint dies negativ: "Was da geschieht, ist eine Ausnutzung bestimmter gesellschaftlicher Schichten, von jungen Leute oftmals ländlicher Herkunft. Das ist eine gezielte Anlockung von Studenten durch die Muslimbruderschaft und durch andere politische Gruppierungen!" Abdel Wahhab lehnt ein solches Engagement ab: "Die Unis werden dadurch zum Schauplatz eines politischen Kampfes, bei dem auch noch bestimmte Richtungen vorherrschen! Dadurch verliert die Universität ihre ursprüngliche Rolle."

Aiman Abdel Wahhab(Foto: Mostafa Hashem)
Kritisiert die Aktivitäten der Muslimbruderschaft an den Universitäten: Politikwissenschaftler Aiman Abdel WahhabBild: DW/M. Hashem

Die meisten Studenten, die an Ägyptens Universitäten demonstrieren, gehören Organisationen aus dem ideologischen Umfeld der Muslimbruderschaft an. Aber auch andere, linke und liberale Studentengruppen beteiligen sich an Protestaktionen. Mitunter kommt es auch zu ideologischen Grabenkämpfen. So beklagt Emad Abdel Hamid, ein studentischer Vertreter der links-säkularen "Bewegung 6. April“, die Mursi-Anhänger seien nur an einer Wiedereinsetzung des Muslimbruder-Regimes interessiert. "Die betreiben die Konfrontation mit den Sicherheitskräften für ihre eigenen Zwecke", kritisiert er. Mahmud Al Azhari, Sprecher der Bewegung "Studenten gegen den Umsturz‘, weist diese Kritik zurück: "Wir haben den anderen Studenten-Bewegungen immer wieder die Hand gereicht und wollen uns unter einem Banner vereinigen." Seine Vision umschreibt er mit den Worten, die Studenten sollten "das ägyptische Volk führen, um sich von der Militär-Herrschaft zu befreien".