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Ägyptischer Winter

19. Juni 2012

Von den Revolutionären des legendären Tahrir-Platzes ist wenig zu sehen. Die Straßen in Ägypten gehören jetzt den Demonstranten der Muslimbrüder. Die beteuern immer noch, keinen Machtkampf mit den Militärs zu suchen.

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Muslimische Demonstranten verbrennen ein Schafik-Posten (foto:reuters)
Symbolbild Streit um Wahlergebnis in ÄgyptenBild: Reuters

Der herrschende Militärrat hat mit seinen jüngsten Erklärungen sein Machtmonopol bekräftigt, größere Proteste der Oppositionsbewegung sind ausgeblieben. Vor allem für die Jugendbewegung waren weder der Muslimbruder Mohammed Mursi noch der frühere Regierungschef Ahmed Schafik aus der alten Führungsriege der Mubarak-Ära ein Hoffnungsträger, den man hätte zum Präsidenten wählen können. Symbolisch stehen noch Zelte auf dem Tahrir-Platz in Kairo, aber die Revolte des "Arabischen Frühlings" konzentriert sich derzeit auf Debatten im Internet.

Dafür macht jetzt die konservativ-religiöse Bewegung der Muslimbrüderschaft mobil. Man suche "keine Konfrontation", versicherte der Sprecher der Kampagne für Mursi, Yasser Ali. Notwendig sei ein "nationaler Dialog", das Volk allein müsse über sein Schicksal entscheiden, sagte er vor der Presse in Kairo, fügte aber an: "Niemand in Ägypten steht über dem Staat und der Verfassung".

Seine Erklärung, niemand düfte sich dem "Willen des Volkes widersetzen", klang da schon wie eine Drohung. Gleichzeitig riefen die Muslimbrüder ihre Anhänger zu Tausenden auf die Straße. Auch auf dem Tahrir-Platz ließen sie Mursi bejubeln, den sie schon zum Sieger der Wahlen und zum neuen Staatsoberhaupt erklärt haben. Demonstranten verbrannten Plakate des Gegenkandidaten Schafik. Die Proteste richteten sich zugleich gegen die Machtfülle des Militärs. Eine radikalislamische Gruppe schloss sich den Kundgebungen an.

Muslimbrüder riefen ihre Anhänger zu Massenprotesten auf - auch auf dem Tahrir-Platz (foto:EPA)
Muslimbrüder riefen ihre Anhänger zu Massenprotesten auf - auch auf dem Tahrir-PlatzBild: picture-alliance/dpa

Beide Seiten beanspruchen Präsidenten-Posten

Auch der Wahlkampfsprecher Schafiks, des ehemaligen Mubarak-Gefolgsmannes, behauptete den Sieg. Im Fernsehen berichtete auch Ahmed Sarhan von einer Mehrheit von 51,5 Prozent, also einem Vorsprung von 500.000 Stimmen. Das amtliche Endergebnis soll erst an diesem Donnerstag bekanntgegeben werden.

Der Oberste Militärrat, der seit dem erzwungenen Rücktritt des Langzeitpräsidenten Husni Mubarak im Februar 2011 alle wichtigen Entscheidungen trifft, hat dem künftigen Staatschef bereits einen Kanzleileiter aus den eigenen Reihen vor die Nase gesetzt.

Macht des Staatsoberhaupts schon beschnitten

Zudem verkündeten die Generäle eine Reihe von Maßnahmen, die die Macht des künftigen Präsidenten einschränken werden. Die staatlichen Medien berichteten, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi habe General Abdelmumin Foda zum Verwaltungschef des Präsidialamtes ernannt. Gleichzeitig schuf er per Dekret einen Rat im Amt des Präsidenten, der über Budgetfragen entscheiden soll. Bereits in der Vorwoche hatten die Militärs das Parlament geschlossen, nachdem das Verfassungsgericht die Wahl des Unterhauses zur Jahreswende für verfassungswidrig erklärt hatte.

Ein Verwaltungsgericht in Kairo vertagte am Dienstag ein Verfahren, in dem die Legalität der Muslimbruderschaft und ihrer neu gegründeten Partei der Freiheit und Gerechtigkeit beurteilt werden soll. Der Anwalt Schahata Mohammed hatte geklagt, weil er weder die Bewegung der Muslimbrüder noch ihre eigens für die Parlamentswahl gegründete politische Partei für legal hält. Das Verfahren soll erst am 1. September fortgesetzt werden.

SC/wl (rtre,dapd,dpa,afpe)