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Salzburger Festspiele

27. Juli 2009

Die Salzburger Festspiele gehören neben Bayreuth zu den berühmtesten Kulturveranstaltungen im deutschsprachigen Raum. Über Bedeutung und Positionierung wird im 89. Jahr der Veranstaltung heftig gestritten.

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Ben Becker in Aktion (Foto: AP)
Der deutsche Schauspieler Ben Becker als "Tod"Bild: AP

"Die Salzburger Festspiele, 1920 von Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss gegründet, zählen zu den weltweit berühmtesten Kulturfestivals für Oper, Schauspiel und Konzert." So liest es sich in den vielen Veröffentlichungen über die Salzburger Festspiele, die auch jetzt wieder anlässlich der Eröffnung des 89. Festspieljahrgangs erschienen sind - und ganz falsch ist das immer noch nicht. Dennoch wird jetzt heftig über einen rapiden Bedeutungsverlust Salzburgs diskutiert; denn man lebt hier an der Salzach ganz offensichtlich vom Ruhm, vom Nimbus der Vergangenheit.

Die blasse Marke

Szenenausschnitt aus Hebbels 'Judith' (Foto: AP)
Szenenausschnitt aus Hebbels "Judith"Bild: AP

Auf der Landkarte der internationalen Festspiele, die mit Bayreuth, Luzern oder auch Edinburgh potente Konkurrenten aufweist, ist die Marke Salzburg blasser geworden. So trist wie dieses Jahr, so las man auch in der österreichischen Presse, seien die Festspiele schon lange nicht mehr gewesen. Sicher, nun trägt die durch Finanzkrise und Untergangsszenarien gedrückte Stimmung nicht gerade zur Aufhellung am Kunsthimmel bei. Der Kartenverkauf stockt, gerade teure Tickets gehen schlecht weg, die Sponsoren sind zurückhaltender.

Die eingetrübte wirtschaftliche Bilanz der Festspiele ist das eine, der künstlerische Ertrag das andere. Aber sind nicht gerade Krisenzeiten Hochzeiten der Kunst? Weit gefehlt in Salzburg. Das Programm von Händel bis Mozart, von Beethoven bis Rossini ist klassisch brav ausbalanciert. Sicherlich, mit Händels spätem Oratorium "Theodora" oder Rossinis Opern-Rarität "Moise et Pharaon" stehen wenig aufgeführte Werke auf dem Spielplan.

Aufbietung aller Kräfte

Szenenausschnitt aus Mozarts Oper 'Cosi fan tutte' (Foto: AP)
Szenenausschnitt aus Mozarts Oper "Cosi fan tutte"Bild: AP

Doch wo bleibt die aufrüttelnde Moderne, die zu Zeiten des früheren Festspielintendanten Gérard Mortier mit dem "Klangfluss" sogar ein eigenes Festival im Festival hatte. Allein Luigi Nonos in Töne gegossene Anklage "Al gran sole carico d' amore", aufgeführt von Ingo Metzmacher, ragt heraus. Wie man hörte, konnte selbst dies von Intendant Jürgen Flimm nur unter Aufbietung aller Kräfte, inklusive Rücktrittsdrohung, durchgesetzt werden. Aber der erwähnte "Klangfluss" ist in diesem Jahr allenfalls zu einem zaghaften "Kontinent Varese" geronnen, der acht Konzerte dem französischen Modernisten widmet.

Daniel Kehlmanns Festrede zur Eröffnung der Festspiele fachte die Diskussion um die Positionierung der Salzburger Festspiele nun wieder neu an. Der Schriftsteller nahm vor versammeltem Kulturestablishment mit seiner Fundamentalkritik am Regietheater die Avantgarde in die Zange, verlieh der ohnehin weit verbreiteten konservativen Position eine lautstarke Stimme.

Wohlfeile Vorbehalte

Der 34-Jährige, der spätestens seit seinem Buch "Die Vermessung der Welt" den Status eines Jungstars hat, geißelte den, wie er es sieht, Modernisierungszwang des heutigen Theaters. Routiniertes hysterisches Geschrei, ständig Videowände und Spaghetti-Essen fänden sich auf den deutschsprachigen Bühnen. Der ideologiegetränkte Aktualitätszwang überfrachte die Bühnenwerke. Bei aller Kritikwürdigkeit so mancher Inszenierung: Das was Kehlmann artikulierte, waren dann doch eher die wohlfeilen, allzu populären Vorbehalte gegen profilierte ästhetische und inhaltliche Positionen.

Dass dem mehrheitlich konservativen Publikum selbst eine so zurückhaltende Inszenierung wie die von Christof Loys "Theodora" aufstieß, lässt nichts Gutes für die Zukunft erwarten. Das Profil eines Festivals bestimmen seine Intendanten und natürlich die Künstler selbst. Maßgeblich geprägt wurde die Marke Salzburg in der Vergangenheit von Herbert von Karajan und später von Gérard Mortier.

Bedeutungsverlust beschleunigen

Auf die Ehrfurcht gebietende konservative Macht Karajans folgte der avantgardistisch-aufrührerische Mortier. Dessen Nachfolger Peter Ruzicka und Jürgen Flimm erscheinen zwischen diesen Extremen nun eher wie blasse Nachlassverwalter. Und vom neuen, ab 2011 amtierenden Intendanten Alexander Pereira, ist kein Umschwenken zu erwarten.

Mortier und seine Mitstreiter haben recht, wenn sie fordern, dass in Salzburg ästhethische Verkrustung und Überalterung aufgebrochen werden müssten. Die besten Konzepte und Kunstentwürfe, die besten Dirigenten und Regisseure gehören nach Salzburg. Sollte man diese wegen Modernitätsvorbehalten weiter der Konkurrenz überlassen, wird sich der Bedeutungsverlust der Festspiele beschleunigen.

Autor: Gero Schließ

Redaktion: Marcus Bösch