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Åke Edwardson: Segel aus Stein

Detlev Karg23. Mai 2006

Der schwedische Kommissar Erik Winter reist mal wieder auf die Insel - diesmal um den Vater einer Jugendliebe zu suchen. Das Abenteuer führt ihn in die Nähe von Loch Ness, allerdings lässt die Spannung zu wünschen übrig.

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Um es gleich vorwegzunehmen: Ein Krimi sollte spannend sein und keine bedeutungsvolle Langeweile verbreiten. Umso schlimmer ist es für den Leser, dass der oft als Kultautor gewürdigte Åke Edwardson dank wabernder Sprache und gleichmäßig wiederholten Andeutungen ("Jesus! Jesus!") dem Leser auf 480 Seiten vorgaukelt, es könne ja doch noch spannend werden. Aber halt, von den 480 Seiten kann man getrost 50 Prozent abziehen und das Buch querlesen um den eigentlichen Plot zu verfolgen (wenn es denn einen gibt), der in Schottland spielt, genauer in die Nähe von Loch Ness in den schottischen Highlands.

Buchcover: Åke Edwardson - Segel aus Stein

Der Grund: Kommissar Erik Winters Jugendliebe Johanna Osvald bittet ihn nach ihrem in Schottland verschwundenen Vater Axel Osvald zu suchen. Dieser wiederum hatte sich auf die Suche nach seinem eigenen Vater John gemacht, der in den Wirren des Zweiten Weltkrieges als Fischer auf einem Boot verschollen war. Aha, so denkt der unbefangene Leser, Zweiter Weltkrieg, das gibt eigentlich genug Anlass für spannenden Stoff: Mythen um rätselhafte Nazi-Geheimnisse, vielleicht schwedische Verstrickungen in die Kriegsmaschinerie, die angesichts der vorgetäuschten sauberen Weste des skandinavischen Landes doch so manche versteckte Leiche hier und dort in der Weltgeschichte gelassen haben könnte - aber weit gefehlt. Außer dem nahe Loch Ness nackt gefundenen toten Papa von Johanna, der aber nicht umgebracht wurde, ist nämlich Fehlanzeige mit krimitypischen Ingredienzien.

Verwirrende Parallelgeschichte

Denn neben dem sich träge vor sich hin entwickelnden Plot, der nie an Fahrt gewinnt, sind da eben noch besagte 50 Prozent an Papier, die der Verlag anständigerweise und der Umwelt zuliebe gleich hätte einsparen sollen. Das hätte Papier, Druckkosten und Zeit für Leser und Rezensenten auf ein angemessenes Mittelmaß reduziert. Denn die Reise des schwedischen Kommissars in die Vergangenheit war dem Autor offenbar zu wenig oder das Buch hätte zu dünn ausgesehen. Darum muss sich der Leser auch noch mit einer parallel laufenden Geschichte abquälen, die dem ganzen Wust den Rest gibt: Eine Kommissarin auf der Spur eines misshandelnden Mannes und seiner gequälten Frau. Wer aber will das lesen, wenn beide Plots nicht auf das geringste miteinander zu tun haben?

Åke Edwardson
Der schwedische Schriftsteller Åke EdwardsonBild: picture-alliance / dpa

Nichts ist wie es scheint, so ein mystischer Schlüsselsatz im Beginn des Romans, ah ja, durchfährt es dem Leser, wie recht das Buch doch hat. Und natürlich ist die Kommissarin schwarzer Herkunft, aber in Schweden geboren und erinnert sich laufend an ihre afrikanischen Wurzeln, ermittelt melancholisch im grauen Meer der schwedischen Alltagsgewalt in den Vorstädten, und das liest sich einfach beschrieben so: Der besorgte Vater der misshandelten Frau ist selbst gewalttätig. Die Schwester des Ehemanns spielt ein doppeltes Spiel und der Ehemann entzieht sich allen Verdächtigungen.

Irgendwas mit Schuld und Sühne

Ein leises Gähnen lässt sich da nicht unterdrücken. Spaß macht es allerdings, als Leser genau diese gähnend langweiligen Dialoge rund die gemeinen Dinge des Alltags und deren unmögliche Bekämpfung einfach zu überblättern. Ein genüsslicher Sport, der zudem die Lektüre des Buches erheblich beschleunigt und zumindest in der Mitte das Gefühl vermittelt, wenigstens den Geheimnissen des Kommissars Winter auf der Spur zu bleiben. Welche Hoffnung ja erst ganz am Ende des Buches enttäuscht wird.

Denn in Schottland angekommen, entwickelt sich aus der Suche nach John Oswald auch nicht viel mehr als das Umherstapfen in einer langweiligen Landschaft, deren Hauptleistung im Hervorbringen von Whiskey besteht, über dessen Zusammensetzung Kommissar Winter mit seinem schottischen Kollegen denn auch nachdenklich sinniert. Und so sinniert man dann als Leser über die Zusammenhänge von Gegenwart und Vergangenheit, von Schuld und Sühne, um die es eigentlich gehen soll, die aber nie klar zutage treten. Irgendwas mit Waffenschmuggel halt, aha. Da sinniert man als Leser auch schon, ob man dem Verlag das Buch zurücksendet oder beim Altpapier lässt. Schließlich gibt es noch einen Mini-Showdown, ein Schuss fällt gar, oho, ein Spannungselement! Wer sich also unbedingt durch "Segel aus Stein" durcharbeiten möchte, sollte ein Exemplar im Antiquariat oder auf dem Flohmarkt erwerben.


Åke Edwardson
Segel aus Stein
List, 2006
ISBN 3-548-60675-X
EUR 7.00