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Öl für Hitler und ein Hotel voller Spione

2. September 2003

Öl-Magnat und Kunstmäzen Paul Getty war schon zu Lebzeiten als schillernde Gestalt bekannt. Neu veröffentlichte Quellen zeigen ihn jetzt allerdings in einem zweifelhaften politischen Licht.

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Ölbaron Jean Paul Getty im Jahr 1966Bild: AP


Mitte des 20. Jahrhunderts galt Jean Paul Getty als der reichste Mann der Welt. Er verdankte sein riesiges Vermögen Öl-Förder-Konzessionen in Kuwait, Saudi-Arabien und dem Irak, besaß Versicherungsgesellschaften und eine der größten Tankerflotten der Welt. Er sammelte leidenschaftlich und mit großem Sachverstand Kunst und stiftete das weltberühmte Getty-Museum in Los Angeles. Er schrieb Bücher wie "How to be rich" und gleich mehrfach seine Memoiren. Von seiner Unterstützung für Adolf Hitler schrieb er nie.

Gekauft, um den Kellner zu entlassen

Jean Paul Getty scheint im Mittelpunkt eines Verschwörer-Zirkels gestanden zu haben, der Nazi-Deutschland in den frühen Jahren des Zweiten Weltkrieges unterstützte. Dies geht aus Geheimdienstakten des britischen Ministeriums für Kriegswirtschaft über Verdächtige Personen hervor, die jetzt von den britischen National Archives in Kew freigegeben wurden.

Getty belieferte demnach Nazi-Deutschland trotz der britischen Blockade via Mexiko und Russland mit kriegswichtigem Rohöl, bis Hitler im Juni 1941 die Sowjetunion angriff. Zudem scharte er in seinem schicken New Yorker "Hotel Pierre" anscheinend deutsche Spione um sich und machte einen ehemaligen deutschen U-Boot-Kapitän zum Geschäftsführer. Dieses Hotel hatte Getty der Legende nach ursprünglich gekauft, um einen Kellner entlassen zu können, der unfreundlich zu Getty gewesen war, als dieser dort zu Gast war.

Die Geheimdienstakten über Gettys Hotel lesen sich wie ein schlechter Spionage-Roman: "Das Hotel war gefüllt mit zweifelhaften Personen. Unter den Bewohnern des 'Pierre', die ohne erkennbare Geldquellen in Luxus-Suiten lebten, war eine Gräfin Mohle, die ihre Zeit damit verbrachte, Offizieren der US-Armee schöne Augen zu machen und die ein unstillbares Interesse an allen militärischen Angelegenheiten hatte."

Unbeschwert mit dem "alten Freund" Hitler

Getty selbst hatte schon vor dem Krieg lebhafte geschäftliche und persönliche Kontakte mit Hitlers Deutschland. Er interessierte sich dabei auch für die zerschlagenen, "arisierten" Kunstsammlungen und erkundigte sich anscheinend nach Möglichkeiten, die Möbel der Familie Rothschild zu erwerben.

Das freundschaftliche Verhältnis scheint sich auch durch den Kriegsbeginn im September 1939 nicht wesentlich verändert zu haben. In den neu veröffentlichten Geheimdienstpapieren heißt es dazu: "Getty, Inhaber von Mission Oil Corp., die deutsche Patente für die IG Farben hält, kehrte im November 1939 aus Deutschland zurück und erzählte unbeschwert von seinem 'alten Freund' Hitler."

Getty Center in Los Angeles von Architekt Richard Meier Paul Getty Museum
Die Stiftung: Getty Center in Los AngelesBild: AP

Der Angriff der Japaner am 6. Dezember 1941 auf den amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbor machte Getty schließlich aber zum amerikanischen Patrioten. Er meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst in der US Navy. Mit 49 Jahren, aber wie er in seiner Bewerbung anmerkt, "bei bester Gesundheit". Er fühle sich für den Dienst in der Navy geeignet, schließlich besitze er drei Yachten, wie Getty schrieb.

"Fähiger politischer Führer"

Dass sich bei Getty auch nach Pearl Harbor nicht unbedingt die große politische Weitsicht entwickelte, zeigt sich in 29 Tagebüchern Gettys von 1938 bis in sein Todesjahr 1976, die momentan beim Antiquariat Scott Winslow zum Verkauf stehen. In den vorveröffentlichten Auszügen nennt Getty beispielsweise Stalin einen "fähigen politischen Führer" und prophezeit eine kommunistische Revolution in Deutschland für den Herbst des Jahres 1942.

Winslow möchte 950.000 Dollar für die Tagebücher erlösen. Als wahrscheinlichster Käufer gilt das Getty Museum in Los Angeles. Ob das Museum sich für eine Veröffentlichung der Tagebücher entscheidet, gilt als fraglich. (sams)