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Über 100 000 polnische Firmen von Insolvenz bedroht

17. September 2002

- Lage im Baugewerbe besonders dramatisch

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Köln, 16.9.2002, RZECZPOSPOLITA, GAZETA WYBORCZA

RZECZPOSPOLITA, 14.09.2002, poln.

Die anhaltende schwache Konjunktur in Polen trägt dazu bei, dass immer mehr Firmen von der Insolvenz bedroht sind. Über den Konkurs von größeren Firmen wie z.B. Stocznia Szczecinska (Stettiner Werft) wird in den Massenmedien ausführlich berichtet, aber aufgrund von Zahlungsunfähigkeit gehen vor allem kleinere Firmen zugrunde.

Die Insolvenzverwalter rechnen mit einer weiteren Steigerung der Zahl der Insolvenzanträge. In diesem Jahr wurden z.B. in Krakau bereits 186 Insolvenzanträge gestellt. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist die Zahl der Insolvenzanträge um das Doppelte gestiegen (...)

Am stärksten werden jedoch die Firmen im Baugewerbe vom Bankrott bedroht (...)

GAZETA WYBORCZA, 16.09.2002, poln.

Im Baugewerbe spielt sich ein Drama ab. Das Überleben von über 100 000 Firmen bis zum Jahr 2004 ist in Frage gestellt. (...) Durch Polen rollt bereits eine Konkurswelle, die vor allem die Subunternehmer in der Baubranche betrifft.

Aus den Angaben der Firma ASM, die sich mit den Untersuchungen der Baubranche in Polen beschäftigt, geht hervor, dass sich die Zahl der Subunternehmer im Baugewerbe allein innerhalb des letzten Jahres um 10 200 verringerte. Die meisten Insolvenzen wurden in der Woiwodschaft Mazowieckie registriert, in der 2 412 Firmen zahlungsunfähig wurden. Bisher gingen vor allem kleine Firmen zugrunde. In diesem Jahr werden jedoch auch große Aktiengesellschaften vom Bankrott bedroht.

Eine echte Plage auf dem Markt bilden einerseits die enormen Zahlungsrückstände und andererseits ein Prozedere, das als "Aufsaugen" bezeichnet wird. Dieses Prozedere besteht darin, dass ein Investor, der z.B. eine Fabrik oder ein Hotel bauen möchte, eine kleine und unerfahrene Firma anstelle einer großen Firma als Generalunternehmer auswählt. Der Investor weiß nämlich genau, dass er einer solchen Firma jede Bedingung im Vertrag aufzwingen kann. Der Generalunternehmer beschäftigt dann die Subunternehmer, die das notwendige Baumaterial und die Einrichtung auf Kredit kaufen. Der Investor hat mit diesen Ausgaben natürlich nichts zu tun. Er ist formell nur an den Vertrag mit dem Generalunternehmer gebunden, den er unter jedem Vorwand entlassen oder mit Strafen belasten kann. Im Endeffekt geht der Generalunternehmer pleite und zieht die Subunternehmer nach. Dem Investor bleibt dann ein fertiges Objekt, das durch die finanziellen Verpflichtungen derer, die es für ihr eigenes Geld gebaut haben, nicht belastet wird. (...)

Warum aber lassen sich die Firmen auf solche Bedingungen ein? "Weil man in der Zeit einer tiefen wirtschaftlichen Krise, wenn man ums Überleben kämpft, nach jedem Strohhalm greifen muss. Hat ein Unternehmer überhaupt eine andere Alternative? Sie können lediglich zwischen der Auflösung der eigenen Firma wählen oder das Risiko eingehen. Die meisten Firmen entscheiden sich für die zweite Variante", sagt Ryszard Skobierski, Leiter der Firma Comfort Prefabrykaty. (...).

Das Justizministerium hat letzte Woche der Regierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem Änderungen in der Gesetzgebung vorgesehen sind. Danach soll das Prinzip der kollegialen Verantwortung im Baugewerbe eingeführt werden, das die Investoren und die Generalunternehmer dazu verpflichtet, die offenen Forderungen der Subunternehmer zu erfüllen. (...)

Die Baufirmen sind davon jedoch nicht begeistert. Der Vorsitzende des Verbandes der Arbeitgeber im Baugewerbe, Janusz Zaleski, (...) ist der Ansicht, dass sich die Lage durch solch ein Gesetz nicht verändern würde, weil dadurch weder die Gerichtsverhandlungen verkürzt noch die kleineren Firmen vor der Insolvenz geschützt würden.

"Die Regierung und die Abgeordneten sollten sich vor allem darauf konzentrieren, ein System zu schaffen, um die unseriösen Geschäftleute schneller vom Markt zu entfernen", sagt Rafal Jankowski von der Bank Pekao SA. (...)

Aus den Untersuchungen der Firma ASM, die im August d.J. durchgeführt wurden, geht hervor, dass jeder Dritte der untersuchten Bauunternehmer die Insolvenz der eigenen Firma innerhalb des nächsten Jahres befürchtet. In der Perspektive der kommenden zwei Jahre rechnen 80 Prozent der Befragten mit einem Insolvenzantrag. (Sta)