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Bücher und Kinder

Thomas Böhme20. März 2007

Der häufigste Stoßseufzer auf der Leipziger Buchmesse lautet: "All diese Kinder", ihm folgt meist der böse Nachsatz: "Die sind doch bloß hier, um die Besucherzahl in die Höhe zu treiben." - Gedanken von Thomas Böhm.

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Gemalde von Fritz von Ude: Jesus spricht mit der Kinderschar einer Bauernfamilie
Kinder sollten willkommen sein - auch auf einer BuchmesseBild: MdbK, Leipzig

Tatsächlich ist es so, dass unzählige Schulklassen aus Leipzig und Umgebung für einen Besuch auf der Buchmesse schulfrei erhalten. Aber über die Präsenz von Schülern kann nur klagen, wer Schüler für eine Störung des Geschäfts hält - und damit beweist, keine Ahnung, weder vom Geschäft noch von der Literatur zu haben. Denn selbst wenn viele Schüler ziellos durch die Hallen streifen, hier und da ein Lesezeichen abgreifen, sich ein Comicheft signieren lassen oder über das im Messerummel deplaziert wirkende Ritual einer Autorenlesung kichern - sie sind hier; hier zwischen all den Büchern.

Das heißt: Es besteht die Chance, dass sie im Vorbeigehen einen Buchtitel aufschnappen, von einem Cover zum Reinblättern animiert werden, die Messebeilage einer überregionalen Zeitung mitnehmen. Sprich: Die Bücher bekommen eine Chance - mehr können sie fürs erste nicht verlangen. Überhaupt ist doch schon das Einüben des Messebesuches, das habituelle Sich-Informieren-über-Bücher ein Wert an sich. Zumal wenn er mit dem Prädikat "schulfrei" verbunden ist, das einen Vorgeschmack auf die Freiheit des Lesens gibt.

"Lasset die Kindlein zu mir kommen"

Natürlich ist das Verhalten und der Geräuschpegel einer freigesetzten Schulklasse nicht bibliothekengemäß. Aber: das Fehlen jeglicher Angebote und Anreize für Schüler an den Ständen der literarischen Verlage zeigt auch auf der Buchmesse, wie sehr die Lehrer mit dem Bildungsauftrag allein gelassen werden. Nach dem Motto: In ein paar Jahren werden die Kinder aus Halle 4.1, wo sie jetzt lärmend in Comickostümen rumlaufen, schon zu uns, zur richtigen Literatur rüberkommen. Bis dahin klagen wir darüber, dass sie so laut sind.

Mir fällt dazu ein Jesuswort ein, das gleichzeitig der Titel eines wunderbaren Bildes von Fritz von Ude im Museum Leipzig ist. Das Bild (siehe oben) zeigt Jesus, wie er am Tisch eines Bauernhauses des 19. Jahrhunderts sitzt. Der Bauer und seine Frau schauen beschämt, sich ihrer Verfehlungen bewusst, geschmeichelt zu, wie Jesus mit den Kindern spricht, die um ihn herumstehen. Der klagenden Buchmenschen scheint sie zu fehlen - die titelgebende Idee dieses Bildes: "Lasset die Kindlein zu mir kommen."