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Über das Sich-kurz-Fassen

6. März 2009

Über Buchgeschenke, den Frühjahrsputz im Bücherregal oder Schriftsteller als Autofahrer: hier schreibt Thomas Böhm Kolumnen rund ums Lesen.

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Bild: DW

Darf ich für einen Augenblick um die Aufmerksamkeit aller neben- und hauptberuflichen Gelegenheitsfestredner, Verlegenheitslaudatoren, Stand-up Rhetoriker bitten und aller anderer Menschen, die das Wort an uns richten und nach unserer Lebenszeit verlangen. Ich möchte sie bitten, sich von jetzt ab immer so kurz wie möglich zu fassen.

Anfang und Ende so nah wie möglich beieinander

Da, wie Mark Twain feststellte, eine "gute Rede einen guten Anfang hat und ein gutes Ende und beide möglichst dicht beieinander liegen sollten", könnte ich jetzt gleich zum Ende kommen, will aber noch drei Ratschläge geben, damit Sie sich fortan gekonnt kurz fassen können. Erstens: Schreiben Sie Ihre Reden stehend, an einem Pult. Dann fallen Ihnen von selbst kurze Sätze ein. (Dieser Rat stammt von Ernest Hemingway.)Der nächste geht auf einen anonymen Mathematiker zurück oder jemanden, der den Befehl "Wörter zählen" in seinem Textverarbeitungsprogramm zu bedienen weiß: "Die Zehn Gebote begnügen sich mit 297 Worten, die Bill of Rights mit 463 und das Vaterunser mit 67. Kommen Sie mit noch weniger aus."

Noch weniger Wörter als das Vaterunser
Thomas Böhm Programmleiter des Kölner Literaturhauses
Thomas Böhm Programmleiter des Kölner LiteraturhausesBild: birgit rautenberg

Und der letzte, wo wir schon in der Bibel sind, ist ein dramaturgischer Rat aus dem Alten Testament: "Dräng die Worte zusammen, fasse dich kurz, sei wie einer, der etwas weiß, aber auch schweigen kann." Was man wissen sollte: "Die besten Reden sind die, die nicht gehalten werden." Willy Brandt. Aber die ungehaltenen Reden bemerkt natürlich keiner. Deshalb kommt man nicht drum herum, zu markieren, was zwischen Anfang und Ende nicht geschah. Am besten so wie der Improvisationskünstler Helge Schneider: "Guten Tach. Auf Wiedersehen. Ihr wart ein wunderbares Publikum."