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Irans Gefängnisse platzen aus allen Nähten

16. September 2011

In einem Zeitraum von 32 Jahren ist die Zahl der Häftlinge im Iran um das 25-fache gestiegen. Menschenrechtsaktivisten machen das Rechtsystem des Landes für die wachsende Gefängnisbevölkerung verantwortlich.

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Symbolbild Gefangene im Iran mit iranischer Flagge im Hintergrund
Die Zahl der Häftlinge in iranischen Gefängnissen ist rapide angestiegenBild: AP GraphicsBank/DW

Die iranische Bevölkerung hat sich in den letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt. Lebten Ende der 1970er Jahre 35 Millionen Menschen im Iran, sind es heute fast 75 Millionen. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Gefängnisinsassen jedoch um das 25-fache gestiegen. Regierungsstatistiken zufolge sitzen heute rund 250.000 Häftlinge ihre Strafe in Irans Gefängnissen ab. Vor 32 Jahren, also direkt nach der islamischen Revolution, waren es lediglich 10.000.

 

Der Menschenrechtsanwalt Mohammad Mostafaie macht vor allem das religiös geprägte Rechtssystem verantwortlich für die überfüllten Gefängnisse: "Mehr als 1.600 Arten von Vergehen werden im Strafgesetzbuch der islamischen Republik Iran als Verbrechen bezeichnet." Neben Gewaltdelikten stehe zum Beispiel auch Alkoholkonsum und -verkauf auf der langen Liste der Straftaten. Aber auch das Brechen von gesellschaftlichen Tabus kann im Iran strafrechtlich verfolgt werden.

 

Frauengefängnis im Iran (Foto: ISNA)
Viele Frauen sitzen wegen ihrem politischen Engagement einBild: ISNA

"Frauen, die sich weigern, die muslimische Kleiderordnung zu beachten, machen sich strafbar. Homosexuelle Beziehungen oder außereheliche Liebschaften sind verboten. Das Strafgesetzbuch wird permanent ausgeweitet," so der Menschenrechtsanwalt Mostafaie. Er selbst sei aus dem Iran geflohen um der Repression der islamischen Republik zu entgehen. Seit August 2010 lebt der Anwalt in Norwegen.

 

Schlechte Haftbedingungen in überfüllten Gefängnissen

 

Die steigende Zahl der Gefangenen im Iran überfordert die iranischen Behörden. Gholam Hossein Esmaili, Chef der "Organisation iranischer Gefängnisse" teilte Anfang August Journalisten mit, dass die iranischen Gefängnisse zusätzlich 55.000 Häftlinge unterzubringen haben, ohne dass die Kapazitäten der Haftanstalten erweitert wurden.

 

Zentral-Gefängnis in Sanandaj, (Kurdistan - Nord West) Iran (Foto: Melli)
Überfüllte Gefängnisse überfordern die iranischen BehördenBild: Melli

Die schlechten Haftbedingungen in iranischen Gefängnisse wurden schon vor Monaten im iranischen Parlament scharf kritisiert. Das Jahresbudget der Gefängnisbehörde decke nicht einmal die Kosten für Nahrung und Kleidung so Younes Mousavi, Mitglied des parlamentarischen Justizausschusses. "Die Gefängnisse haben so viele Schwierigkeiten, dass sich jeweils zwei Gefangene eine Decke teilen müssen," so der Abgeordnete weiter. 

 

Trotzdem sind die Kosten für alle Gefängnisse im Iran enorm hoch. Laut offiziellen Angaben gibt Teheran momentan täglich fünf Milliarden Toman, das sind rund 3,4 Millionen Euro, für die Gefängnisse des Landes aus.

 

Drogensüchtige seien 'das Problem'

 

Um die Kosten zu verringern, schlug der Leiter der Generalinspektion des Landes Ende August vor, 10 bis 15 Prozent der drogensüchtigen Gefangenen zu entlassen und behauptet dabei: "Wenn sie entlassen werden, werden viele Probleme gelöst." Wie viele Drogenabhängige insgesamt in iranischen Gefängnissen einsitzen, ist nicht bekannt. Nach Angaben des obersten Polizeichefs, General Ismail Ahmadi Moghaddam, wurden 80 Prozent aller Gefangenen wegen Drogendelikaten inhaftiert.

 

Eine Gruppe von iranischen Drogenhändlern nach der Verhaftung (Foto: Mehr)
Drogenhändler im Iran müssen mit der Todesstrafe rechnenBild: Mehr

Ali Sazegar leitet seit Jahren eine Nichtregierungsorganisation die sich mit Drogenproblemen beschäftigt: "Die Zahl der Drogenabhängigen ist vor allem wegen der wachsenden Arbeitslosigkeit gestiegen." Das Problem sei jedoch, wie die Drogensüchtigen behandelt werden, so der Soziologe weiter. "Sie werden als Straftäter gesehen und entweder ausgepeitscht oder ins Gefängnis gesteckt."

 

Ali Sazegar beklagt vor allem, dass es in iranischen Gefängnissen keine Programme für  Drogensüchtige gibt. Überhaupt fehle es an Möglichkeiten, Insassen auf das Leben nach der Haft vorzubereiten. Statistiken zufolge werden 29 Prozent der entlassenen Gefangenen früher oder später wegen des gleichen Vergehens erneut festgenommen. Das iranische Strafgesetzbuch zu ändern oder möglicherweise zu korrigieren, steht aber derzeit nicht zur Debatte.

 

Autorin: Shabnam Nourian
Redakion: Ziphora Robina