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Überfallkommando in kenianischer Zeitungsredaktion

Maja Dreyer 3. März 2006

Das hat es in Kenia mindestens seit der Unabhängigkeit vor gut 40 Jahren nicht mehr gegeben: Die Polizei überfällt eine Zeitungsredaktion und verbietet einem Fernsehsender die Ausstrahlung.

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Kenias Präsident KibakiBild: AP

Es war ein Überfall wie zu dunkelsten Diktatur-Zeiten. Rund 100 vermummte Polizeibeamte drangen am Donnerstag (2.3.2006) um Mitternacht mit Maschinengewehren in die Redaktionsräume der Tageszeitung "East African Standard" in Nairobi ein - die älteste und eine der renommiertesten Zeitungen des Landes. Computer und Mobiltelefone wurden beschlagnahmt, Journalisten in Gewahrsam genommen und fast alle Ausgaben der frisch gedruckten Donnerstagszeitung noch in der Druckerei verbrannt.

Auch der Sender betroffen

Auch das Fernsehstudio von KTN, das ebenfalls zur "Standard"-Gruppe gehört, musste seinen Betrieb einstellen. Erst am frühen Donnerstagnachmittag konnte KTN wieder auf Sendung gehen - und tut dies ohne weiteres Zögern, denn ein offizielles Verbot gibt es nicht. Genauso wenig, wie sich die Eindringlinge ausgewiesen haben.

Für Farida Karoney, Chefredakteurin von KTN, war es ein Schreck ins Mark: "Für uns ist das schockierend. Da wacht man morgens auf und bekommt gesagt, dein Programm ist nicht mehr auf Sendung, zehntausende Zeitungsausgaben wurden verbrannt. Ich meine, es ist kaum zu glauben, dass im Kenia von heute so ein Vorfall überhaupt möglich ist."

Umstrittener Zeitungsbericht als Auslöser?

Auslöser für die Ereignisse war vermutlich ein Bericht, mit dem der "Standard" seine letzte Samstagsausgabe aufgemacht hatte. Darin berichten die Journalisten von einem geheimen Treffen zwischen Präsident Mwai Kibaki und dem ehemaligen Gesundheitsminister und nun führenden Oppositionspolitiker Kalonzo Musyoka. Die Meldung wurde von beiden Seiten dementiert, und die Autoren wegen Veröffentlichung eines - so wörtlich - "beunruhigenden Berichts" angeklagt. Eine gedruckte Gegendarstellung war der Regierung anscheinend nicht ausreichend.

Die Razzia in der Redaktion sei eine Angelegenheit der staatlichen Sicherheit gewesen, so kommentiert John Michuki, Minister für innere Sicherheit in Kenia, den Übergriff der Polizei und bemühte ein Sprichwort zu Erklärung: "Wenn du eine Schlange schüttelst, musst du eben damit rechnen, dass du gebissen wirst."

Präsident Kibaki steckt in der Krise

Präsident Kibaki erwähnte in seiner Fernsehansprache am gleichen Tag die Ereignisse mit keinem Wort, stattdessen verkündete er eine neue Anti-Korruptionskampagne. Für Kibaki gilt es, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, die sich immer enger um ihn legt. Seine Regierung steckt bereits seit Monaten in einer innenpolitischen Krise. Der erste schwere Schlag war das Nein für eine Verfassungsänderung, die von Kibaki stark befürwortet, aber von Mitgliedern seines eigenen Kabinetts abgelehnt wurde.

Mit einem neu geformten Kabinett schlidderte der Präsident gleich in das nächste Debakel, bei dem gleich zwei Korruptionsskandale aufgedeckt wurden, bei denen es um umgerechnet Millionen von Euro ging, die von Regierungsmitgliedern veruntreut worden waren. Mehrere Minister traten zurück.

Kenia als Vorbild für Demokratie in Afrika

Druck machte nicht zuletzt die sehr lebendige Presseszene der Hauptstadt. Damit werde auch sie zunehmend zur Zielscheibe, beklagt Tavil Okoko, Vorsitzende der kenianischen Journalistengewerkschaft: "Unter Präsident Kibaki geht es mit der Pressefreiheit den Bach herunter. Selbst unter dem Regime seines Vorgängers Moi gab es solche Übergriffe nicht. Das ist ein erschütterndes Ereignis, denn es sah so aus, als sei die Demokratie in Kenia fest verankert. Die Kenianer selber und die ganze Welt sehen Kenia als ein Vorbild für Demokratisierung in Afrika."

Auch Diplomaten von westlichen Geberländern und den UN äußerten sich erschreckt über den Überfall. "Solch ein rücksichtsloses Vorgehen hat keinen Platz in einer offenen, demokratischen Gesellschaft", heißt es in einer Stellungsnahme der amerikanischen Botschaft. Die KTN-Journalistin Farida Karoney plädiert für den Einsatz friedlicher Mittel, wenn sich die Staatsmacht durch die Medien unfair behandelt fühlt: "Wenn die Medien einen Fehler gemacht haben, dann gibt es legale Mittel, dagegen vorzugehen. Man muss keine Redaktion schließen und Zeitungen verbrennen, wenn man sich von einem Bericht angegriffen fühlt."