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Übergang zwischen zwei Welten

5. Dezember 2001

Die Tränenhalle ist Berlins berühmtester Ort der deutschen Teilung. Wo einst BRD- und DDR-Bürger Tränen der Trennung ließen, wird heute gefeiert, gerockt, getanzt oder gelesen.

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Ehemalige Wechselstelle im Grenzübergang - heute ein KioskBild: Tränenpalast

"Tränenpalast", ein kurioser Name für einen Veranstaltungsort, an dem eigentlich geschwooft und gelacht wird. Der Name soll an das erinnern, was den Bau aus den 60er Jahren vorher beherbergte: Der Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstrasse diente zu DDR-Zeiten als Grenzstation zwischen Ost und West. Nur wenige Schritte trennten Sozialismus und Kapitalismus, Familien und Freunde. Aus dem ehemaligen Grenzhaus wurde nach der Wende ein Kulturzentrum, das in diesen Tagen zehnjähriges Jubiläum feiert. Wo heute Gäste dinieren, tanzen oder Lesungen lauschen, haben sich einst acht Millionen West- und Ostbürger durchgedrängelt, und das pro Jahr - der abgenutzte graue Kachelboden ist noch derselbe geblieben.

Von trüber DDR Romantik zum coolen Tanzpalast

Von DDR-Grenzromantik mit kalten Fliesen, engen Kabinen mit grimmig dreinblickenden Volkspolizisten, die stets streng kontrollierten, spürt man selbst heute noch einen Hauch - und der ist gewollt. Chef und Gründer des Kulturortes, Marcus Herold, hat sich das gut überlegt. Den Entschluss fasste er 1991, da fuhr Herold an einem Gebäude vorbei, das kurz vor dem Verfall stand. Das Land hatte beschlossen, die ehemalige Grenzstation in eine Blumenhalle umzuwandeln. Das hat den engagierten Veranstalter empört. Ein Kulturzentrum mit DDR-Charme und präsenten Namen wäre dem Ort gerechter, fand er. Schließlich sei die Halle ein geschichtlicher Ort, der nicht nur erhalten werden, sondern ihn auch erahnen lassen müsse.

Den Namen hatte Herold nach einem Konzert-Erlebnis mit den Toten Hosen aus der Taufe gehoben. Als die 1987 nach einem nicht ganz legalen Auftritt in der Halle wieder in den Westen gingen, weinten ihnen die Fans im Osten angeblich Tränen nach. Freudentränen gab es dann bei dem ersten Gig nach der Wiedervereinigung, im Herbst 1991. Da spielten Nina Hagen und Jimmy Sommerville als erste unter freiem und wiedervereinten deutschen Himmel.

Eingangshalle Tränenpalast in Berlin
Eingangshalle des TränenpalastsBild: Tränenpalast

Künstler aus aller Welt an deutsch-deutschem Geschichtsort

Wo einst Wolf Biermann mit seiner Gitarre unter dem Arm die Grenze passierte und aus dem Osten in den Westen zog, spielen heute Musiker aus aller Welt und allen Richtungen.

Tränenhalle Berlin Friedrichstraße
Außenansicht der TränenhalleBild: Tränenpalast

Im Tränenpalast finden seit seiner Gründung als Kulturstätte Veranstaltungen aller Art statt: von Theateraufführungen, Varietévorstellungen, Abendgalas bis hin zu Veranstaltungen der Pop- Jazz- und Worldmusic oder Szeneparties. Und das völlig unsubventioniert, so der Gründungsvater Herold stolz. Das sicherte auch die kulturelle Vielfältigkeit. Hier traten sogar Künstler auf, von denen der unkomplizierte Kulturmensch Herold eine Zusage nicht erwartet hatte. Viele Größen hatte er hier schon zu Gast. In den zehn Jahren habe es immer Highlights gegeben, aber einer habe ihn dann doch überrascht: Prince!

Als der Mega-Star in Berlin weilte, schickte Herold ihm eine Einladung für einen Gig in sein Hotel. Dass der tatsächlich kommen würde, damit hatte er eigentlich nicht gerechnet. Um ein Uhr nachts fuhr ein riesiger Truck vor, der alles nötige aufbaute. Zwei Stunden später gab Prince auf der Bühne sein Konzert und in einem Gewimmel von Stars wie Tom Jones oder George Michael kamen selbst schon mal die Sicherheitsleute durcheinander. So musste der Veranstalter Herold Leute wie Herbert Grönemeyer durch den Hintereingang lotsen.

Aber der schaurig schöne Charme der DDR nagt an den vier Wänden.Seit Bestehen ist nur das nötigste am und im Tränenpalast gemacht worden. Es fehlten bisher einfach die nötigen Gelder. Die alten Fenster von 1961 sind desolat, die Fassaden rissig, eine Modernisierung langsam dringend erforderlich. Und so sucht der Palast der Tränen einen Käufer. Am liebsten möchte das 35köpfige Team des Tränenpalastes weiterhin kulturelle Grenzgänge bewandern: "Wir sind nicht in einer festen Sparte einzuordnen", so der ehemalige Videofilmer Herold. Und das solle am besten auch so bleiben.(pt)