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Eine Ebola-Genesung

Richard Walker / cb10. Oktober 2014

Nancy Writebol steckte sich mit Ebola an, als sie als Missionarin in Liberia arbeitete. Die Überlebende erzählt der DW, wie sie in die USA geflogen und mit dem seltenen, experimentellen Medikament ZMapp behandelt wurde.

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USA Ebola-Überlebende Nancy Writebol mit Menschen im Schutzanzug. (Foto: David Writebol)
Bild: D. Writebol

DW: Frau Writebol, wie war es, als Sie sich zum ersten Mal krank gefühlt haben in Liberia?

Nancy Writebol: Zuerst fühlte es sich an wie Malaria. Es war einfach hohes Fieber, keine anderen Symptome. Ich hatte zusätzlich Kopfschmerzen, aber das ist total normal für Malaria. Also ließ ich einen Malaria-Test machen - und er war positiv. Ich ging nach Hause und nahm Malaria-Medikamente. Für vier Tage blieb ich zu Hause, ruhte mich aus und nahm die Medikamente. Aber es ging mir immer noch nicht besser. Unser Arzt sagte, "Nancy, ich möchte dich auf Ebola testen. Ich glaube zwar nicht, dass es Ebola ist - du hast ja keine anderen Symptome - aber so beruhigen wir alle." Er machte den Test, und an dem Abend bekamen wir das Ergebnis: positiv.

Ihr Zustand wurde sehr ernst. Waren Sie die meiste Zeit bei Bewusstsein?

Immer mal wieder. Mein Ehemann David sagte, dass es Tage gab, an denen ich mich aufsetzte, mit ihm sprach und ein bisschen etwas aß. An einiges erinnere ich mich, aber an vieles nicht. Ich erinnere mich, dass ich einfach viel geschlafen habe - und ich weiß noch, wie düster und regnerisch die Tage waren. Ich war sehr, sehr schwach. Ich konnte nicht allein aufstehen, also mussten die Ärzte und Schwestern mir helfen. Ich schien jeden Tag schwächer zu werden. Es war sehr schwer.

Nancy Writebol und Richard Walker (Foto: DW/ R. Walker).
Nancy Writebol erzählte ihre Geschichte DW-Reporter Richard WalkerBild: DW/R. Walker

Als Teil Ihrer Behandlung erhielten Sie das experimentelle ZMapp-Serum. Sie waren nur eine von sechs Menschen, die damit behandelt wurden. War das in irgendeiner Weise problematisch für Sie?

Zu dem Zeitpunkt nicht. Weil es ein experimentelles Medikament war, haben wir uns eher gefragt "möchte ich das wirklich nehmen?" Irgendwann rief ich Dr. Kent Brantly [ein Kollege, der sich ebenfalls mit Ebola angesteckt hatte] an und wir sprachen darüber, weil er es untersucht hatte. Ich fragte "Wirst du dieses Medikament nehmen?", und er sagte "Ich bin mir nicht sicher, ob ich das tun sollte." Daraufhin sagte ich "Wenn du es nicht nimmst, nehme ich es auch nicht!"

Ich glaube, ich habe mich gefragt, "Okay, es gibt ein experimentelles Medikament - niemand hat es getestet? Was wird dabei rauskommen?". Aber irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich gedacht habe, wenn ich es nähme und es ginge mir dann besser, das wäre toll. Aber wenn ich es nähme und ich überlebe nicht, wäre das auch okay, weil ich ohne das Medikament vielleicht auch gestorben wäre. Diese Dilemmas gehen einem durch den Kopf.

Anfang August wurden sie mit einem Privatflugzeug in die USA geflogen, um im Emory Hospital in Atlanta behandelt zu werden. An was erinnern Sie sich noch von der Reise?

Als sie mich in das Flugzeug luden und ich mich von David verabschiedete, habe ich mich gefragt, ob ich ihn jemals wiedersehen würde. Ich war sehr, sehr krank und ich weiß nicht, ob die Ärzte überhaupt davon ausgingen, dass ich den Flug überleben würde. Ich erinnere mich noch an den Arzt und die Krankenschwester, die sich auf dem Flug um mich kümmerten. Ich erinnere mich an sein Mitgefühl und seine freundliche Betreuung. Bevor er mich ins Flugzeug legte nahm er mein Gesicht in seine Hände und sagte "Nancy, wir bringen Sie jetzt nach Hause. Wir werden uns sehr gut um Sie kümmern."

Auf dem Flug war ich sehr, sehr durstig, weil ich völlig dehydriert war. Dann erinnere ich mich nur noch an die Stellen, wo wir landeten. Sie sagten mir, dass wir gleich landen würden und dann blieben wir für einige Minuten am Boden und flogen wieder los. Das war in Maine und sie sagten mir "Wir sind nicht mehr weit weg von Atlanta. Es ist nur noch ein bisschen länger." Das ist alles, an was ich mich erinnere - ich glaube, ich war wirklich nicht bei mir auf dem Flug!

Schließlich begannen Sie, sich zu erholen…

Ich erinnere mich an den Tag, an dem der Arzt reinkam und sagte "Nancy, Sie sind über den Berg! Sie werden überleben!" Er sagte, dass ein Teil meines Tests Ebola-frei sei. Und ich sagte einfach nur "Lobet den Herrn!" Das war eine aufregende Zeit, ich weiß noch, dass ich mich darauf gefreut habe, mein neues Enkelkind zu halten. Es war einfach eine freudige Zeit, weil ich wusste, dass ich überleben und unsere Kinder und David wiedersehen würde. Es verändert die Sichtweise auf Dinge und Menschen und darauf, was man im Leben tut. Ich war sehr, sehr dankbar. Und ich weiß auch, dass Medikamente zwar eine Rolle spielten, ZMapp, die Fürsorge, eine Bluttransfusion - aber alle diese Dinge hat Gott genutzt, um mein Leben zu retten. Das weiß ich. Und dafür bin ich sehr dankbar.

Hatten die Leute Angst vor ihnen, als Sie in ihr tägliches Leben zurückkehrten?

Es gab einige Menschen, die mich erkannt haben und ihre Hände hochnahmen und nicht wollten, dass ich näher kam. Das erste Mal, als das passierte, war ich geschockt. Beim zweiten Mal habe ich an unsere liberischen Brüder und Schwestern gedacht, die oft genauso behandelt werden. Besonders die Pflegekräfte, deren Familien sagen, "Komm nicht nach Hause, übernachte woanders." Oder die Totengräber in Afrika. Auch ihre Familien wollen nicht, dass sie nach Hause kommen, weil sie so viel Angst vor Ebola haben.

Als Ebola-Überlebende haben Sie einen gewissen Grad an Immunität gegen das Virus. Werden Sie zurück nach Liberia gehen, um zu helfen?

Ja, das heißt, dass ich zurück gehen könnte. Aber die Ärzte haben mir gesagt, wenn ich zurück gehe, muss ich trotzdem Schutzkleidung tragen, das ist sehr wichtig. Sie wissen nicht, wie lange die Immunität anhält, oder wie stark sie sein wird. Ich glaube, zurück zu gehen hat eine wichtige Bedeutung. Aber ich glaube auch, die Öffentlichkeit zu informieren ist wichtig. Es ist wichtig, darüber zu sprechen und die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was mit der Krise in West Afrika passiert, sodass Impfmittel und Serum hergestellt werden können - und so dass, wenn Ebola wieder zuschlägt, es Hilfe für Afrika gibt.

Nancy Writebol arbeitete für die christliche Organisation Serving in Mission auf einer Ebola Station in Monrovia. Die 59-jährige Krankenpflegerin kommt aus North Carolina.

Das Interview führte Richard Walker.