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Überlebenskampf im Südsudan

20. August 2009

Mehr als zwei Millionen Menschen flohen während des Bürgerkrieges im Südsudan in die Nachbarländer. Jetzt kehren viele Flüchtlinge langsam wieder in ihre Heimat zurück. Doch der Neuanfang ist nicht immer einfach.

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Flücvhtlingskind im Südsudan (Foto:DW)
Ballspielen auf verlassenen StraßenBild: DW

Heute ist kein guter Tag für Rose Abalo Amule, denn es ist fast Mittag und erst jetzt steht die erste Käuferin vor ihren Waren. Rote Bohnen, Erbsen und ein paar Gewürze hat Rose Abalo Amule auf einem alten Sack auf dem Boden ausgebreitet. Um sie herum auf dem Markt der Stadt Magwi verkaufen rund zwanzig Frauen ähnliche Produkte. Daneben bieten andere Händler auf Holzständen Seife, Waschmittel oder Schulhefte an. 14 Jahre lang lebte Rose Abalo Amule in einem Flüchtlingslager in Norduganda, wo sich Hilfsorganisationen um ihren Unterhalt kümmerten. Vor zwei Jahren dann kehrte die Sudanesin in ihre Heimatstadt Magwi zurück. Eine Rückkehr, die nicht leicht fiel. "Als ich hier im Sudan ankam, wollte ich sofort wieder zurück ins Camp. Wir hatten schließlich nichts. Doch nun verdiene ich ein bisschen, um meine Familie durchzubringen." Mittlerweile fühle sie sich in ihrer Heimat wieder richtig wohl, sagt Amule.

Schwierige Rückkehr

Markt im Südsudan (Foto:DW)
Was das Feld hergibt wird auf dem Markt verkauftBild: DW

Bei ihrer Rückkehr bekamen sie und die übrigen Heimkehrer von den Vereinten Nationen Zeltplanen, einen Topf, Öl und einige Lebensmittel ausgehändigt. Doch das Starterpaket reichte nur etwas über eine Woche. Dann musste Rose Abalo Amule sehen, wie sie ihre sechs Kinder alleine durchbringen konnte, denn ihr Mann hatte die Familie längst verlassen. Vor einem Jahr nahm sie einen Kleinstkredit bei der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, kurz GTZ auf. Mit diesem Startkapital fuhr Rose Abole Amule nach Norduganda. Dort kaufte sie die Lebensmittel, die sie jetzt auf dem Markt verkauft. Das Geld hat sie zurück bezahlt. Manchmal bleibe ihr auch ein kleiner Gewinn, denn das Geschäft laufe ganz gut, sagt Amule ganz optimistisch: "Manchmal kaufen die Kunden mehr, manchmal weniger, aber wir kommen mit dem bisschen durch." Außerdem habe sie noch ein kleines Feld, auf dem sie Gemüse anbaue. Daher müsse sie ihr eigenes Essen nicht auf dem Markt einkaufen. Damit hat ihre Familie mehr als viele andere.

Lernen zu Überleben

Flüchtlingshaus im Südsudan (Foto:DW)
Viel haben die Zurückkehrenden nichtBild: DW

Die meisten Rückkehrer in Magwi sind so abgemagert, dass ihre Knochen unter der Haut deutlich sichtbar sind. Fast alle leben von dem, was ihre Felder hergeben. Doch die Ernten sind schlecht und neben ein paar Erdnüssen, grünem Gemüse oder einigen Kartoffeln gibt es nicht viel zu holen, denn es fehlt der Regen. Außerdem haben viele nach zehn oder mehr Jahren im Flüchtlingslager verlernt, wie sie ihre Felder richtig bestellen müssen. Zuhause warten die sechs Kinder von Rose Abalo Amule auf ihr Mittagessen. Nur rote Bohnen sind im Topf, für mehr ist kein Geld da. Was Rose auf dem Markt verdient, muss sie gleich wieder ausgeben. Vor allem die Schulgebühren ihrer Kinder sind die größte Belastung. In der kleinen Küche neben der strohbedeckten Rundhütte bricht Rose Abalo Amule Holzkohle in kleine Stücke, reinigt einige Töpfe und stellt die Bohnen auf den Lehmofen. Auf diesem Fleck hat sie fast ihr ganzes Leben verbracht.

Spuren der Vergangenheit

Bis zu dem Tag vor 14 Jahren, als sie mit ihren drei schon geborenen Kindern nach Uganda floh, nachdem Soldaten ihren Bruder vor ihren Augen ermordet hatten. "Ich habe meine Kinder genommen und wir sind nur noch gerannt. Die Soldaten haben hinter uns her geschossen, aber haben uns verfehlt." Sie habe solches Glück gehabt, mit ihren Kindern davongekommen zu sein, denn einige Nachbarn hätten die Soldaten verschleppt. Vier Wochen lang lief die Familie zu Fuß Richtung Uganda, ernährte sich nur von. Honig, wilden Beeren und dem Wasser aus Flüssen. Dann kam das lange Leben im Camp.

Das Leben gemeistert

Flüchtlingskind vor Herd im Südsudan (Foto:DW)
Rückkehr zur NormalitätBild: DW

In dem Moment unterbricht Rose Abalo Amule ihre Erzählung, denn ihr ältester Sohn ist gerade vom Feld zurückgekommen. Er erinnert sich noch gut an den Krieg. So gut, dass er ursprünglich in Uganda bleiben wollte. Er habe große Angst gehabt vor der Rückkehr und Angst vor dem Krieg. "Aber als ich hierher kam, sah ich, wie die Leute im Frieden lebten. Da merkte ich: Es gibt keinen Grund, Angst zu haben und bin geblieben", sagt John, der im Schatten eines Mangobaumes auf sein Mittagessen wartet. Trotz aller Probleme ist seine Mutter Rose stolz darauf, dass sie so weit gekommen ist. Viel weiter, als viele andere Flüchtlinge und viel weiter als viele Männer in ihrem Dorf. "Die schaffen es nicht, ihre Familie zu ernähren. Stattdessen sitzen sie schon morgens am Markt und betrinken sich. Aber ich habe es hingekriegt, dass meine Familie jeden Tag etwas zu essen hat." Nun hofft sie, sich noch einen Traum erfüllen zu können: Genug Geld zu verdienen, damit ihre Söhne in einigen Jahren den Brautpreis bezahlen können, wenn sie heiraten möchten.

Autor: Daniel Pelz

Redaktion: Michaela Paul