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Überlebenstipps für amerikanische WM-Pilger

Katja Sodomann8. Juni 2006

In den USA muss man die Fußball-Begeisterung nach wie vor suchen. Doch zumindest gibt es für echte Fans, die sich auf die große Tour nach WM-Deutschland machen, es viele gut gemeinte Ratschläge.

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In Deutschland ist die Spannung vor dem WM-Start für viele kaum noch auszuhalten und “Exil-Deutsche” im Ausland leiden schon im Vorfeld, weil sie bei der WM nicht dabei sein können. Die Amerikaner lässt der Sport-Event des Jahres jedoch überwiegend kalt. Die USA sind und bleiben auch in diesem Jahr der wohl einzige weiße oder zumindest hellgraue Fleck auf der Landkarte der Fußball-Verrückten.

Abseits vom Schuldeutsch

Trotzdem - auch hier gibt es ein paar begeisterte Soccer-Fans, die es sich nicht nehmen lassen, zur WM nach Deutschland zu reisen. Um sie fit für den Trip zu machen, stapeln sich momentan in jedem amerikanischen Buchladen “Überlebenshandbücher” à la “Germany for Dummies”, “Scheiße: The real German you were never taught” oder “Do as Germans do”.

Auch das Auswärtige Amt und diverse Soccer-Fanseiten geben Tipps für einen reibungslosen Aufenthalt in Deutschland: von ernsten Reisewarnungen bis zu ernst gemeinten, für uns “Eingeborene” aber eher skurril anmutenden Verhaltenstipps.

Wer hätte zum Beispiel gewusst, dass wir unseren Gegenüber für verrückt erklären oder zumindest sehr misstrauisch werden, wenn der uns breit und freundlich anlächelt? Oder dass uns leicht einmal die Hand ausrutscht, sobald sich jemand gemütlich an unser heiß geliebtes Auto lehnt?

Andere Länder …

Die Amerikaner werden auf zahlreiche für sie augenscheinlich ungewöhnliche Verhaltensmuster der deutschen Eingeborenen vorbereitet: Wir halten die Gabel in der linken und das Messer in der rechten Hand. Schmatzen und mit vollem Mund reden ist erstaunlicherweise unschicklich. Bei uns gilt die Regel BYOB (bring your own bag), sprich, wir haben beim Einkaufen immer eine eigene Jutetasche dabei – eine in den USA unbekannte Form des Umweltschutzes. Und, niemals nehmen unsere Kassierer das Geld vom Kunden mit der Hand entgegen. Es muss in das dafür bereitgestellte Schälchen. Für die, die es noch nicht wussten, in Deutschland ist das “public bumping” weit verbreitet: Wir laufen auf dem Buergersteig regelmäßig in unseren Gegenüber hinein.

Eigenartigerweise schließen wir die Toilettentür, nachdem wir unser Geschäft verrichtet haben. Und - erstaunlich aber wahr – auch wir Deutsche haben Humor, auch wenn der für Amerikaner oft schwer zu erkennen ist.

Symbole

Beruhigenderweise ist den Autoren der Reiseführer mittlerweile aufgefallen, dass Deutsche nicht täglich in Lederhosen herumlaufen. Dass “kraut” (Kohl) und Kartoffeln obligatorische Bestandteile jeder Mahlzeit sind steht allerdings weiterhin fest. Muss man viel Wind darum machen, dass das schon lange nicht mehr der Fall ist?

Ein guter Rat: wer wenig Zeit zum Essen hat, sollte besser in den bekannten heimischen Fastfood-Ketten einkehren. Denn in deutschen Restaurants dauert es zumeist einige Stunden, bis das Essen serviert wird.

Wichtig sind auch Vorsichtsmassnahmen gegen unangenehme Symbolverwirrungen: In den USA werden die Finger gekreuzt, in Deutschland die Daumen gedrückt. Wichtigste und auch für so manchen Deutschen wohl neue Regel dabei: Der Daumen darf aus der Faust niemals herausgucken, sonst gilt man als hochgradig obszön und muss sich vor einem blauen Auge in Acht nehmen.

Masern und "no go"

Wer all diese Verhaltensregeln befolgt, ist aber noch längst nicht sicher. Denn da gibt es immer noch die Masern-Epidemie in Nordrhein-Westfalen. Vor der warnt sogar die panamerikanische Gesundheitsorganisation PAHO.

Rot juckende Pocken hin oder her - eins steht für alle Reiseführer fest: das WM-Motto “zu Gast bei Freunden” geht in Deutschland nicht ohne Hürden auf. Erstens gewinnen wir Deutschen anscheinend ungern neue Freunde. Und zweitens wird vor “no-go-areas” gewarnt. Nicht “deutsch aussehende” und schwule Amerikaner sollten vor allem Teile Berlins, Brandenburgs und Sachsen-Anhalts meiden.

Bei all diesen Warnungen und Ratschlägen bleibt uns als Gastgebern wohl nur, die Daumen zu drücken, dass unsere Gäste trotzdem Spaß an der WM haben. – Dabei aber den Daumen immer schön in der Faust verstecken, schließlich wissen wir jetzt, was sonst passiert ...