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Überraschende Wende bei Irak-Schulden

21. November 2004

Das G20-Treffen in Berlin brachte bei einem der umstrittensten internationalen Themen einen Durchbruch: Ein weit reichender Schuldenerlass für den kriegszerstörten Irak.

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Der deutsche Finanzminister verzichtet auf SchuldenrückzahlungBild: AP

Nachdem die USA und Deutschland die Weichen für eine eine endgültige Einigung gestellt hatten, zogen am Sonntag (21.11.04) auch andere Geldgeber der im "Pariser Club" zusammengeschlossen Gläubigerstaaten des ölreichen Landes nach. Russland zierte sich zwar noch, am Ende wurde jedoch grünes Licht gegeben. Damit ziehen die USA
und Gegner des Irak-Krieges zumindest hier an einem Strang.

Das zwischen den Finanzministern der USA und Deutschland, John Snow und Hans Eichel, erstellte Entschuldungsprogramm - natürlich in Absprache mit den Franzosen - sieht einen Erlass von 80 Prozent der Irak-Schulden vor.

Am frühen Sonntagabend kam die offizielle Bestätigung: Die Gläubigerländer des Pariser Clubs wollen Irak vier Fünftel seiner Schulden erlassen. Das wurde aus Kreisen des Pariser Clubs an seinem Sitz in der französischen Hauptstadt bestätigt. Demnach sollen die Schulden in drei Phasen erlassen werden.

Kompromiss gefunden

Die erste Rate könnte schon in diesem Jahr gestrichen werden. Mit dem auf dem G20-Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Berlin gefundenen Modell sind Deutsche und Franzosen den Amerikanern deutlich entgegen gekommen. Zwar hatte sich Berlin immer für einen "substanziellen Schuldenerlass" ausgesprochen.

Wie aber auch Frankreich bestand Deutschland lange darauf, nicht wesentlich mehr als 50 Prozent der Schulden streichen zu lassen. Der ölreiche Irak, so die Argumentation der selbst um jeden Euro kämpfenden Bundesregierung, gehöre trotz Zerstörungen und Bürgerkämpfen nicht zu den ärmsten Ländern der Welt. Die im Irak zuletzt nicht gerade erfolgsverwöhnten Amerikaner hatten auf einen Erlass von 95 Prozent gepocht.

90 Milliarden

Deutschland verzichtet damit voraussichtlich auf etwa 4 von 5,3 Milliarden Dollar. Was den mit Haushaltsnöten kämpfenden Finanzminister und die Staatskasse aber nicht trifft. Ist doch das Geld - wie bei den anderen Pariser-Club-Staaten auch - doch größtenteils längst als unwiederbringlich "abgeschrieben" worden. Die Schulden stammen auch aus DDR-Zeiten. Betroffen wären von einem Forderungsausfall allerdings auch deutsche Baukonzerne. Die dürften nun darauf dringen, wenigsten den Restbetrag eintreiben zu lassen.

Insgesamt werden die irakischen Schulden auf rund 120 Milliarden Dollar geschätzt. Dem "Pariser Club" schuldet der Irak rund 42 Milliarden. Nach der Einigung des "Pariser Club" könnten auch andere Gläubigerstaaten sowie private Geldgeber folgen, so dass eine neu gewählte irakische Regierung voraussichtlich bis zum Jahr 2008 auf Entlastungen von bis zu 90 Milliarden Dollar hoffen könnte.

Nach dem Kompromiss werden zumindest die finanziellen Lasten des Irak-Krieges teils auch auf die Schultern der Kriegsgegner um Frankreich und Deutschland verteilt. Noch auf dem G8-Gipfel im Juni in den USA hatten vor allem Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac einen pauschalen Schuldenerlass für den Irak verhindert.

Zu den Gegenleistungen für ein Entgegenkommen dürften auch eine stärkere Berücksichtigung deutscher und französischer Firmen bei einem Wiederaufbau des immer noch krisengeschüttelten Landes sein. Der Ministerpräsident der Übergangsregierung, Ajad Alawi, wünscht sich jedenfalls, dass sich die deutsche Wirtschaft beteiligt. Ob das jetzige Modell am Ende komplett auch so umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Vor allem über die dritte und letzte Stufe des Schuldenerlasses ist offenbar noch nicht das letzte Wort gesprochen. Sollte es zu einer durchgreifenden Besserung im Irak kommen, so Schröder, müsse man über Konditionierungen reden können. (kas)