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Überraschung bei indischer Parlamentswahl

17. Mai 2009

Die Inder haben gewählt und für eine Überraschung gesorgt. Mit einem so klaren Sieg der Kongresspartei hat wohl keiner gerechnet. Das meint jedenfalls Sandra Petersmann in ihrem Kommentar.

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Symbolbild Kommentar (Quelle: DW)
Bild: DW

Von wegen Wimpernschlagfinale! Oder Foto-Finish! Der Indische Wähler – das unberechenbare Wesen! Er hat alle Politikexperten und Analysten abgestraft. Mit diesem deutlichen Wahlsieg der Kongress-Partei hatte wirklich niemand gerechnet, mit ziemlicher Sicherheit auch nicht die Hauptdarsteller selbst. Parteichefin Sonia Gandhi und Premierminister Manmohan Singh dürfen sich durch das riesige Vertrauen des Wahlvolkes geehrt fühlen. Zwar wird der Kongress die größte Demokratie der Welt nicht alleine regieren können. Aber die Partei des berühmten Nehru-Gandhi-Clans geht mit viel Rückenwind und Selbstvertrauen in die jetzt anstehenden Koalitionsverhandlungen. Sie wird sich ihre Partner aussuchen können.

Nicht mehr um Hilfe betteln

Die DW-Expertin Sandra Petersmann (Foto: DW)
Die DW-Expertin Sandra Petersmann

An dieser Stelle lohnt der Blick zurück: bei der letzten Wahl im Jahr 2004 konnte der Kongress die damals regierende hindu-nationalistische BJP überraschend als stärkste Partei ablösen. Aber diese beiden einzigen nationalen Parteien Indiens hatten damals zusammen weniger als 50 Prozent der Stimmen bekommen. Der säkulare und sozialdemokratisch orientierte Kongress musste damals als Wahlsieger um Hilfe betteln. Und das Bündnis, das am Ende dabei herauskam, bestand aus nicht weniger als 12 Koalitionspartnern und brauchte dazu noch die Unterstützung der Kommunisten von außen.

Diese Massenveranstaltung legte die Regierung in entscheidenden Situationen lahm. Der Kongress war gezwungen, immer wieder große Zugeständnisse zu machen. Einige politische Manöver der kleinen, aber mächtigen Regionalparteien im Bündnis grenzten sogar an Erpressung und hatten nichts mehr damit zu tun, dass Politiker sich eigentlich um das Wohl des Volkes kümmern sollten. Wichtige Reformen, die die Kongress-Partei damals versprochen hatte, sind bis heute Versprechen geblieben: gebrochene Versprechen. Politik und Verwaltung sind immer noch korrupt. Die Armut im Land ist immer noch riesig. Und trotzdem vertraut die große Mehrheit der indischen Wähler heute genau dieser Kongress-Partei: der Partei, die eine treibende Kraft der indischen Unabhängigkeit vor 62 Jahren war.

Trügerische Vorhersagen

Alle Prognosen, dass die indische Politik nach dieser Wahl noch weiter zerfasert und dass Regionalfürsten die Macht in der Hauptstadt Neu Delhi an sich reißen, haben sich als falsch erwiesen. Weil die Wähler eine Regierung wollen, die auch regieren kann. Sie bauen auf die Familie Nehru-Gandhi, die seit 6 Jahrzehnten DIE Konstante der indischen Politik ist. Sie vertrauen auf eine Partei, die sich als einzige zumindest bemüht, Menschen aus allen Kasten, Religionen und Bundesstaaten anzusprechen. Die Wähler haben sich für eine Partei entschieden, die ihnen versprochen hat, die Partei der Einheit zu sein, die Partei des Volkes, ihre Partei zu sein: IHR Kongress, der nach eigenen Angaben für Gerechtigkeit, Fortschritt, Wirtschaftswachstum und Armuts-Bekämpfung steht.

Die Wähler haben dafür gesorgt, dass der Kongress die Fesseln der vielen lästigen Koalitionspartner aus den vergangenen 5 Jahren abstreifen kann. Jetzt kann und muss diese Partei zeigen, was sie kann. Die Weltwirtschaftskrise hat auch Indien voll erfasst, das Wirtschaftswachstum hat sich halbiert. Investoren ziehen ihr Kapital ab. Separatisten, religiöse Extremisten und maoistische Rebellen bedrohen den Frieden im Land.

Schwierige Aufgaben warten

Außenpolitisch bleibt das Verhältnis zur benachbarten Atommacht Pakistan problematisch, was nicht nur am ungeklärten Kaschmir-Konflikt liegt. Aber die neue Regierung wird sich vor allem daran messen lassen müssen, ob sie das Leben der armen Landbevölkerung verbessern kann. Rund 700 Millionen Menschen, also die große Mehrheit des Milliardenvolkes, wohnen noch immer in Dörfern ohne Wasser und Strom. Nach Angaben der Vereinten Nationen lebt ein Viertel aller unterernährten Menschen auf dieser Welt in Indien, trotz des gigantischen wirtschaftlichen Erfolgs der vergangenen Jahre.

Es gibt viel zu tun, packt es an! Die Probleme im Land sind zu groß um länger Polit-Schach zu spielen und sich gegenseitig zu lähmen. Als erster wird der aufrichtige Manmohan Singh die Verantwortung übernehmen. Aber er wird im September 78 Jahre alt und hatte im Januar eine schwere Herzoperation. Es gilt als ausgemacht, dass er den Weg bald freimachen wird für Rahul Gandhi, den 38-jährigen Sohn von Parteichefin Sonia. Rahul ist der Sohn des ermordeten Rajiv Gandhi. Er ist der Enkel der ermordeten Indira Gandhi. Und er ist der Urenkel des ersten indischen Premierministers Jawaharlal Neru. Er ist ein Gandhi. Aber um die Probleme Indiens zu lösen, reicht es schon lange nicht mehr, nur ein Gandhi zu sein.

Kommentar: Sandra Petersmann

Redakteur: Reinhard Kleber