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"Überwachung per Handy ist viel bequemer"

Kay-Alexander Scholz12. April 2005

Die Polizei darf laut Bundesverfassungsgericht satellitengestützte Überwachungsgeräte gegen mutmaßliche Straftäter einsetzen. Die Technik ist schon einen Schritt weiter als das Gericht, mahnt der Chaos Computer Club.

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Bild: BilderBox

Die Polizei darf satellitengestützte Überwachungstechnik zur Verfolgung mutmaßlicher Verbrecher einsetzen, entschied das Bundesverfassungsgericht am Dienstag (12.4.2005). Die Karlsruher Richter wiesen die Verfassungsbeschwerde eines einstigen Mitglieds der linksextremistischen "Antiimperialistischen Zelle" ab. Der Mann, der 1999 wegen mehrerer Sprengstoffanschläge zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde, war vor allem mit Hilfe eines heimlich ins Auto eingebauten GPS-Geräts ("Global Positioning System") überführt worden. Das Gericht stellte klar, dass eine technische Observation von Verdächtigen im Regelfall nicht deren Privatsphäre verletzt. Wegen des schnellen Wandels der Informationstechnik müsse der Gesetzgeber jedoch die technischen Entwicklungen aufmerksam beobachten und notfalls "korrigierend eingreifen".

Die Bewertung der Entscheidung sei schwer, weil der Zeitpunkt der GPS-Überwachung schon zehn Jahre her ist, betonte Datenschutz-Experte Frank Rosengart vom Berliner Chaos Computer Club. "Die technische Weiterentwicklung in den letzten zehn Jahren ist so, dass GPS nicht mehr zwingend notwendig ist, sondern nur dann, wenn der Verdächtige wirklich kein Telefon bei sich hat oder es ständig ausgeschaltet ist. Ansonsten kann man den Standort der Person viel besser über sein Handy bestimmen."

Die Polizei kann mit Hilfe der Kommunikationsunternehmen den Handy-Nutzer durch so genannte stille SMS problemlos orten. Im Artikel 100 der Strafprozessordnung über die Telefonüberwachung fehle bisher ein expliziter Hinweis auf die Rechtmäßigkeit dieser Überwachungsmethode, bemängelt Rosengart und erklärt die Funktionsweise: "Dabei wird künstlich eine Verbindung zum Mobiltelefon hergestellt, weil man bei Telefonen nur Verbindungen überwachen darf. Man kann den Standort nur bestimmen, wenn eine Verbindung aufgebaut ist. Das passiert mit einer so genannten stillen SMS. Dem Verdächtigen wird eine SMS geschickt, die nicht angezeigt wird, aber eine Verbindung herstellt."

Die Berliner Polizei setzt stille SMS bereits ein und bekam dafür im letzten Jahr den Big-Brother-Award vom CCC verliehen. Sie sehe darin jedoch nach eigenen Angaben keine Einschränkung der Privatsphäre.

Rosengart hält GPS-Überwachung für wichtig, sie werde aber selten eingesetzt. "Die Überwachung per Handy ist viel bequemer." Hier müsse zukünftig von Seiten der Datenschützer genauer hingeschaut werden.

Wie Big-Brother-mäßig darf ein Staat sein?

Bei der Diskussion um die Verhältnismäßigkeit derartiger Überwachungsmaßnahmen in Bezug auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte spricht sich Frank Rosengart für eine stärkere Kontrolle der Maßnahmen aus. "Wichtig bei allen Überwachungsmaßnahmen ist, dass der Richter im Nachhinein den Erfolg einer solchen Maßnahme überprüft." Ganz generell müssten die Maßnahmen viel stärker einer Kontrolle unterworfen werden.

Richter müssten die technischen Entwicklungen im Auge behalten und auch den Mut haben zu sagen, "das geht uns jetzt zu weit."

Aber auch GPS sei keine absolut sichere Überwachungsmethode. Inzwischen gibt es GPS-Jammer. Das sind kleine Störsender, mit denen das Sytem lahm gelegt werden kann. "Ein Verdächtiger könnte sich einen GPS-Jammer ins Auto bauen, wenn er weiß, das er überwacht wird, und dann würde der GPS-Sender der Polizei nicht mehr funktionieren."

"1984" ist nahe

Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass der Gesetzgeber die technischen Entwicklungen aufmerksam beobachten soll, begrüßt der Vertreter des Chaos Computer Clubs. Generell müsse dem Bürger bewusst sein, dass die Überwachung mittels moderner Techniken schon sehr weit vorangeschritten sei. Neben der Videoüberwachung an öffentlichen Orten und der Telefonüberwachung, könnten Maut-Systeme auf Straßen auch Kennzeichen lesen und damit Autofahrten dokumentieren. "Im Moment verhindert nur die rechtsstaatliche Situation, dass die Sachen so umgesetzt werden, wie es George Orwell in seiner düsteren Vison eines Überwachungsstaates '1984' beschrieben hat. Die technischen Möglichkeiten sind überwiegend da. Es ist nur eine Frage, wie die Einzelsysteme vernetzt werden, wie sie von den Vermittlungsbehörden ausgewertet werden. Zum Glück gibt es da im Moment noch ziemlich klare Grenzen."