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15 Jahre Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung

7. Dezember 2006

In ihrem aktuellen "Transition Report" bilanziert die EBWE die Reformfortschritte, die die Länder auf der Förderliste der Bank seit 1991 gemacht haben. Der Bericht enthält Lob, aber auch deutliche Kritik.

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Baltikum, Mittelosteuropa, Südosteuropa, Russland, Zentralasien, Kaukasus: In diesen Regionen fördert die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) seit 15 Jahren nicht nur die Marktwirtschaft, sondern auch die Demokratie. Die Bank versucht mit ihren zahlreichen Investitionsprojekten zum Wohlstand von ungefähr 400 Millionen Menschen beizutragen.

Trotz des starken Engagements der Osteuropabank liegt es jedoch in der Hand jedes einzelnen Landes, zu entscheiden, wie die notwendigen Reformen umgesetzt werden und inwieweit sich zum Beispiel der Staat in die Wirtschaft einmischt. Von Polen bis zur Mongolei umspannt sich inzwischen die Region, insgesamt 29 Länder, auf die die EBWE in ihrem neuen "Transition Report" einen ausführlichen Blick wirft. Ganz weit hinten stehen nach Schätzungen der Osteuropabank diejenigen Republiken, in denen totalitäre beziehungsweise beinahe totalitäre Regime herrschen: Belarus, Turkmenistan und Usbekistan.

Wachstum, Rückschritte und Risiken

Nach den Schätzungen der EBWE wird im gesamten Raum das durchschnittliche Wirtschaftswachstum auch in diesem Jahr bei über sechs Prozent liegen, in den GUS-Staaten sogar bei fast sieben Prozent. Höhere Löhne und eine leichtere Kreditaufnahme kurbeln den Konsum in Polen und in den baltischen Staaten an. Energiereiche Länder wie Russland, Kasachstan und Aserbaidschan profitieren von den hohen Rohstoffpreisen. Ausländische Investoren wollen ihre Tätigkeit in Zentralasien und der Ukraine noch mehr ausweiten.

Als "Musterschüler" will Alexander Lehmann von der EBWE die Länder aber nicht bezeichnen. "Der grobe Eindruck ist, dass das Reformtempo nachgelassen hat und dass insbesondere die GUS-Staaten weniger schnell reformieren", bilanziert er. "Wir sehen in vielen Ländern Reformpausen, Reformunterbrechungen oder Reformrückschritte - etwa in Russland."

Das Risiko für Russland sei, dass dort die Wirtschaftsvielfalt nicht angemessen gefördert werde. Denn die Energiemacht Russland konzentriere sich – ebenso wie Kasachstan – zu sehr auf Rohstoffeinnahmen. Das schaffe neue Risiken. "Diese Risiken sind, dass die heimische Wirtschaft sich auf die Verteilung der Rohstoffeinnahmen konzentriert und eine Investition des Produktivkapitals im Energiesektor und in den Nicht-Energiesektoren vernachlässigt", so Lehmann.

Nachlassender Reformwille

Zwar sei es den osteuropäischen Ländern gelungen in den vergangenen zehn Jahren bei der Privatisierung, der Preis- und Handelsliberalisierung große Fortschritte zu erzielen, jedoch habe die Motivation für weitere Reformen stark nachgelassen. Die Bildung der Bankenaufsicht, die Entwicklung der Kapitalmärkte und der Wettbewerbspolitik, Reformen des Gesundheits- und des Bildungswesens bleiben in vielen der Staaten auf der Strecke, bilanziert der "Transition Report". Auch die Finanzsektoren sind meistens unterentwickelt und Millionen Menschen - vor allem in Zentralasien und im Kaukasus - leben in Armut.

Auch die neuen EU-Mitglieder wie Polen, Tschechien, Ungarn und die baltischen Staaten tun sich mit der Durchsetzung wirtschaftlicher und sozialer Reformen recht schwer. "Die mitteleuropäischen Staaten haben ein sehr positives Umfeld für ihr Wachstum", erläutert Lehmann. Aber: "Ein gemeinsames Problem in den mitteleuropäischen und den baltischen Staaten ist die politische Unsicherheit, wo die Regierungen kein überzeugendes Reformprogramm darstellen können. Das hat seine Gründe in den politischen Unsicherheiten und der Schwierigkeit, stabile Koalitionen zu formieren."

Bilanz insgesamt positiv

Trotz der klaren Kritik klingt die Bilanz für die ganze Region über zwölf Zeitzonen hinweg jedoch positiv. Große Fortschritte im Finanzsektor macht die Ukraine. In Südosteuropa steigen Direktinvestitionen an. Als Überraschungsland gilt die Republik Mongolei, die mit einem hohen Reformtempo versucht, ihre Wirtschaft anzukurbeln. An Russland geht Lob für den Stabilisierungsfond und für das ambitionierte Ziel der Regierung, das Bruttoinlandprodukt des Lands in zehn Jahren zu verdoppeln. Die Osteuropabank hält das nicht für unrealistisch, empfiehlt jedoch, die Strukturreformen voranzutreiben, um das erreichte Wachstum aufrechtzuerhalten und auch die breite Bevölkerung am Wohlstand teilhaben zu lassen.

Oxana Evdokimova
DW-RADIO, 5.12.2006, Fokus Ost-Südost