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150 Jahre St. Paulus in Brüssel

14. Juli 2010

Deutsches Gemeindeleben im Ausland - wie unterscheidet sich das eigentlich vom Alltag in der katholischen Kirche in Deutschland? Die Gemeinde St. Paulus in Brüssel feiert ihr 150-jähriges Bestehen.

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Bild: DW

Die Posaunen erklingen, der ökumenische Kirchenchor singt, die Messdiener tragen neue, weiße Gewänder. Die katholische Auslandsgemeinde in Brüssel feiert einen besonderen Festgottesdienst - zu ihrem 150-jährigen Bestehen. St. Paulus ist die größte der 170 deutschsprachige Gemeinden, die vom Katholischen Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn betreut werden.

Offene Türen, aber kein Turm

Gottesdienstraum mit sitzenden Besuchern (Foto: Autorin)
Gemeinde als WohlfühlhilfeBild: DW

Beim Festgottesdienst ist es dehalb besonders voll in der Kirche hinter dem Gemeindezentrum. Kein Kirchturm, nur ein heller, spärlich dekorierten Raum. Die Atmosphäre ist freundlich, hier darf auch mal während der Messe gelacht werden - zum Beispiel, wenn die Musiker zu früh einsetzen. Pfarrer Wolfgang Severin ist seit Oktober 2008 in Brüssel - eine katholische Auslandsgemeinde ist für ihn der ideale Arbeitsplatz. Denn hier geht es nicht allein ums Beten in der Muttersprache, auch wenn das ein wichtiger Aspekt ist.

Porträt Pfarrer Severin (Foto: Autorin)
Wunscharbeitsplatz: Pfarrer Wolfgang SeverinBild: DW

St. Paulus ist für ihn entspannter, als viele heimische Gemeinden, "weil es nicht nur religiöse Gründe sind, weshalb die Leute zusammenkommen, sondern auch aus traditionellen und kulturellen Gründen und sich viele Freundschaften bilden." Ganz ähnlich sieht das Norbert Blome. Er war von 1987 bis 1992 Pfarrer in Brüssel und ist für die 150-Jahr-Feierlichkeiten gern wieder nach St. Paulus zurückgekehrt. „In den Auslandsgemeinden haben wir tatsächlich beobachtet, dass der Gottesdienstbesuch zunimmt, und zwar sehr deutlich zunimmt", stellt Blome zufrieden fest. Wohl auch, "weil man den Gottesdienst in der eigenen Sprache feiern möchte."

Ein Zuhause im fremden Land

Gemischte Gemeindegruppe (Foto: Autorin)
Jung und alt gemeinsamBild: DW

Gerade auch für die Kinder scheint das wichtig zu sein. Philippa Rudischhauer geht in Brüssel in die deutsche Schule und findet es in St. Paulus sogar schöner, als in ihrer alten Gemeinde in Deutschland. "Ich mag’s hier, dass die Kirche nicht so groß ist und man die Pfarrer besser versteht, als in so großen Hallen. Und Kommunion finde ich auch besser organisiert als in Deutschland.“

Ihr Bruder Benedikt war im letzten Jahr Kommunionkind in St. Paulus. Rund 70 pro Jahr sind es, die sich über den gemeinsamen Glauben auch gegenseitig besser kennenlernen. "Ich habe auch ein paar Freunde gefunden in meiner Gruppe und mit denen hab’ ich mich schon gut verstanden.“

Annerose Hürfeld ist dagegen schon seit dern 1980er Jahren dabei, sie hat lange im Gemeinderat gesessen. St. Paulus hilft, sich im fremden Land wohlzufühlen, sagt sie. Allerdings, das gibt Annerose Hürfeld zu, "Wir Deutsche leben auch dank dieser Gemeinde natürlich etwas in einem deutschsprachigen Ghetto.“

Wechselvolle Geschichte seit 1860

Katholische Auslandsgemeinde St. Paulus in Brüssel
Sammelt Geschichte und Geschichten: Annerose HürfeldBild: DW

Als die "deutsche Mission" 1860 ins Leben gerufen wurde, begann eine wechselhafte Geschichte. Im Jahr 1914 begann der Bau einer ersten eigenen Kirche, St. Paulus, die 1916 während des ersten Weltkriegs eingeweiht wurde. Annerose Hürfeld hat recherchiert:

„In dieser Kirche wurden sogar auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch deutschsprachige Gottesdienste gefeiert, aber sie gehörte nicht mehr der deutschsprachigen katholischen Gemeinde. Das Eigentum war durch die Kriegsverhältnisse irgendwie abhanden gekommen.“

Über das Gemeindeleben zwischen den Weltkriegen ist nicht viel bekannt. Im Jahr 1952 entsandte der Kölner Kardinal dann wieder einen deutschsprachigen Priester nach Brüssel. Es begann eine Zeit des Sich-Wiederfindens - auch mit Fokus auf die Ökumene - und eine Wanderschaft durch verschiedene Brüsseler Kirchen. Seit 2001 hat die Gemeinde wieder ihre eigene Kirche.

Wer gehört der Gemeinde an?

Pfarrer Severin mit evangelischer Amtskollegin (Foto: Autorin)
Gelebte Ökumene vor OrtBild: DW

Für Pfarrer Wolfgang Severin könnte die Klientel von gestern und heute kaum unterschiedlicher sein. „Ursprünglich sind es Handwerker gewesen, die aus einfachen Verhältnissen kamen und einfach auch finanzielle Unterstützung brauchten, ein Dach über dem Kopf brauchten, und so hat man sich zusammen getan, um denen zu helfen."

Heute dagegen predigt er für Menschen, die durch die EU-Institutionen hier sind, durch die NATO oder Wirtschaftsverbände. "Also Menschen, die in der Regel gut verdienen und gut gebildet sind. Die vielleicht auch hierhin kommen, weil sie sich mal entspannen wollen und nicht unter diesem ganzen beruflichen Druck stehen.“

Autorin: Susanne Henn

Redaktion: Klaus Krämer