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17 Thesen

12. September 2009

Das Internet sei eine Chance für den Journalismus und keine Bedrohung, heißt es in einem Manifest von Online-Journalisten. Autoren und Verlage müssten sich nur darauf einstellen. Jetzt diskutiert die Netzgemeinde.

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Hände auf der Tastatur eines Laptops, daneben der Wirtschaftsteil einer Zeitung (Foto: DW)
Journalisten sollen sich dem Internet gegenüber nicht verschließen. Das sagt das Manifest.Bild: DW

Der Online-Journalismus etabliert sich mehr und mehr. Immer mehr Beiträge werden auf Internetseiten veröffentlicht, tagesaktuelle Medien wie Zeitung und Radio schaffen sich nach und nach Online-Präsenzen. Hinzu kommen Blogs. Auch einige derjenigen, die ihr tägliches Brot mit Journalismus verdienen, bloggen. Ergänzend zum Beruf. Nebenbei. Aus Lust. Die Grenzen sind fließend.

Eine Gruppe von bloggenden Journalisten hat diese Woche ein besonders provokantes Projekt gestartet: das so genannte "Internet-Manifest", das in der Blogosphäre für Aufsehen sorgt. In 17 Thesen erklären die Online-Vordenker, "wie Journalismus heute funktioniert".

Was steht drin und was ist dran?

Doch was besagt das Manifest? Es handelt sich um eine Art Appell an alle Journalisten dieser Welt, sich nicht vor dem Internet zu fürchten, sondern die Chancen des World Wide Web alltäglich und selbstverständlich in die journalistische Arbeit mit einzubeziehen. Man muss die Möglichkeiten des Internets beim Schopfe packen, damit man nicht hinterherhinkt, so der Tenor des Manifests.

Auf der Basis der heute zur Verfügung stehenden Technik könne bestmöglicher Journalismus entwickelt werden - sofern man sich für diese Technik öffne. Autoren, Verleger und Sender sollten akzeptieren, dass Vernetzung gut sei für den Journalismus. Referenzen durch Verlinkungen und Zitate ermöglichten überhaupt erst die Kultur des vernetzten Gesellschaftsdiskurses. Medienhäuser müssten, wenn sie weiter existieren wollten, die Lebenswelt ihrer Nutzer verstehen und sich eben auch ihrer Kommunikationsformen annehmen: Social Networks, Wikipedia, Youtube.

Ein Manifest, das polarisiert

Thomas Knüwer (Foto: dpa)
Einer der Autoren des Internet-Manifests: "Handelsblatt"-Reporter und Weblog-Autor Thomas Knüwer.Bild: picture-alliance / KPA/ Gado

Seit Veröffentlichung des Manifests hat dieses zahlreiche Reaktionen ausgelöst, sowohl in Kommentarzeilen unter dem Manifest, als auch in ganzen Blogs, die sich dem Thema widmen. Doch Leser des Manifests können es nicht nur kommentieren, sondern auch in einem eigens hierfür angelegten "Wiki" mitgestalten: Gefällt ihnen ein Absatz nicht oder haben sie zu einem Sachverhalt eine andere Meinung, können sie das Manifest unmittelbar verändern. Das ist so gewünscht. Dieser Austausch von Meinungen reflektiert genau das, was im Manifest gefordert wird: Interaktiv sein, das ist wichtig. Außerdem kann das Manifest "unterschrieben" und damit unterstützt werden.

Gegner des Manifests kritisieren, dass das ganze wirke wie eine einzige Lobeshymne an das Web. Ein internetverherrlichendes Positionspapier sei es, das zu viele Aussagen unbelegt in den Raum stelle und sich viel zu vieler Worthülsen bediene. Vor allem die polarisierenden Überschriften des Manifests sorgen für Aufsehen: Poetisch formuliert, aber bedeutungsleer, so die Kritiker. So meint zum Beispiel User "classless" zu der These "Die Freiheit des Internet ist unantastbar": "Wenn die Freiheit des Internets aber unantastbar wäre, wie behauptet, dann ergäbe es keinen Sinn zu fordern, aus welchen Gründen sie nicht eingeschränkt werden dürfe. Offensichtlich ist diese Freiheit antastbar und offensichtlich ist außer der Staatsgewalt niemand befugt, an dieser Stelle irgendwelche 'darf's und 'darf-nicht's auszusprechen."

Was treibt die Verfasser?

Stefan Niggemeier (Foto: dpa)
Hat auch unterzeichnet: Journalist und Blogger Stefan Niggemeier.Bild: dpa

Das Internet-Manifest ist eine Reaktion auf die so genannte Hamburger Erklärung. Diese Erklärung von Hamburger Verlagshäusern besagt vor allem, dass geistiges Eigentum geschützt werden müsse. Autoren, Verleger und Sender fordern eine Bezahlung für die Weiterverwendung ihrer journalistischen Erzeugnisse im Netz: "Der freie Zugang zu unseren Angeboten soll erhalten bleiben, zum Verschenken unseres Eigentums ohne vorherige Zustimmung möchten wir jedoch nicht gezwungen werden."

Dem stimmen die Verfasser des Manifests zwar auch zu, sagen aber, dass das Urheberrecht nicht dazu missbraucht werden solle, sich neuen Vertriebs- und Lizenzmodellen zu verschließen. Das wettbewerbsintensive Internet erfordere die Anpassung der Geschäftsmodelle an die Strukturen des Netzes. Niemand solle versuchen, sich dieser notwendigen Anpassung durch eine Politik des Bestandschutzes zu entziehen. "Eigentum verpflichtet", so steht es im Manifest. Stefan Niggemeier, Mitverfasser des Manifests, schreibt in seinem Blog: "(Die Hamburger Erklärung) ist ein Dokument der Hilflosigkeit, ein ziellos-hysterisches 'So tu doch einer was', bei dem es auf Inhalte nicht ankommt, solange nur möglichst viele mitschreien."

Wie auch immer: In den öffentlichen Medien ist dieser Streit bisher wenig diskutiert worden. Bevorzugter Raum ist die Blogosphäre, abseits des "Mainstreams". Ein interessanter Aspekt, wenn man bedenkt, dass das Internet-Manifest gerade dann mehr Beachtung in den öffentlichen Medien finden würde, wenn Journalisten sich eben mehr mit Blogs befassen würden, als sie es offensichtlich tun. Und gerade dies fordert ja das Manifest.

Autorin: Annika Kalle
Redaktion: Thomas Grimmer