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20 Jahre Kooperation in der Barentsregion

Agnes Bührig6. Januar 2013

Im Januar 1993 wurde in Kirkenes in Norwegen der Vertrag über die Barents-Kooperation unterschrieben. Norwegen, Schweden, Finnland und Russland verpflichteten sich darin zu mehr Zusammenarbeit.

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Einreisebestimmungen an der norwegisch-russischen Grenze bei Storskog auf norwegischer Seite
Storskog Einzige Schengenaußengrenze zu RusslandBild: Agnes Bührig

Eröffnung des Kulturfestivals Barentsspektakel auf dem Marktplatz von Kirkenes: Vom Balkon des angrenzenden Gemeindehauses hält die norwegische Kulturministerin Anniken Huitfeldt ein flammendes Plädoyer für die Kultur in einer eisigen Region. Unten stehen Einwohner und Besucher zusammen und lauschen, eingepackt in dicke Jacken und Fellmützen. Nicht nur Norwegisch ist hier zu hören, auch Russisch gehört zum Alltag in Kirkenes. Die Kontakte zwischen beiden Ländern sind intensiv, sagt Rune Rafaelsen, Leiter des staatlichen Barentssekretariates, das die Kontakte in der Barentsregion fördert, die vor knapp 20 Jahren als Vision begann.

Die Barentsregion ist eine politische Konstruktion; Anfang der 1990er Jahre leitete Jacques Delors die EU. Er prägte den Ausdruck "Europa der Regionen". Norwegen stand damals vor einer neuerlichen Abstimmung über den EU-Beitritt. Die politische Elite in Norwegen wollte mit der Gründung der neuen Barentsregion den Willen zur Zusammenarbeit mit der EU deutlich machen.

Die Grenze wird durchlässiger – Polizeimeister Håkan Skulstad erklärt die neuen Visabestimmungen Bild: Agnes Bührig
Die Grenze wird durchlässiger – Polizeimeister Håkan Skulstad erklärt die neuen VisabestimmungenBild: Agnes Bührig

Die Initiative profitierte davon, dass Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 mit Andrei Kosyrew möglicherweise einen der auslandsfreundlichsten Außenminister des Landes hatte. 1993 wurde schließlich die "Kirkenes-Deklaration" verfasst, die dem Wunsch nach mehr regionaler Zusammenarbeit im Hohen Norden Ausdruck verlieh.

15 Prozent der Einwohner Kirkenes sind Russen

In Kirkenes ist die einstige Vision bereits Wirklichkeit geworden. Mittlerweile sind 15 Prozent der Einwohner russisch. Die Straßennamen sind auf Norwegisch und Russisch geschrieben, im modernen Einkaufszentrum hört man ein munteres Sprachgemisch. Russen von der Halbinsel Kola mit ihrer Metropole Murmansk kommen zum Shoppen, viele Verkäufer sind zweisprachig, erzählt Jana Jalovskaja.

Die 26-Jährige ist gebürtige Russin und zog mit ihrer Mutter vor zehn Jahren in die Stadt, sie führt ein Bekleidungsgeschäft: "70 Prozent unserer Kunden sind Russen, denn die Preise hier sind niedriger als in Russland, vor allem für Kleider und Essen. Wenn ich als Geschäftsführerin Personal brauche, suche ich immer zweisprachige Verkäufer. Die finde ich problemlos in Kirkenes, das auch als Klein-Murmansk bezeichnet wird. Jeder Dritte, den ich treffe, ist russisch", so Jalovskaja.

Vor allem in serviceorientierten Branchen wie der Gastronomie und dem Hotelwesen haben deutlich mehr als die Hälfte der Unternehmen auf norwegischer Seite auch russische Mitarbeiter. Das liegt am Einkaufstourismus, der Richtung Norwegen sehr viel stärker ist als in die umgekehrte Richtung. Motor der Zusammenarbeit auf politischer Ebene ist das staatliche Barents-Sekretariat. Finanziert vom norwegischen Außenministerium, fördert es Grenzprojekte wie das Kulturfestival Barentsspektakel, das Künstler aus Norwegen, Finnland und Russland zusammenbringt. Und es unterstützt die Sprache und Kultur der Urbevölkerung im Grenzgebiet, der Saami. Mehr als eine halbe Milliarde Euro hat Norwegen seit dem Start der Barentsregion 1993 dafür ausgegeben.

Kunstprojekt „Mind the map“ von Morten Traavik beim Barentsspektakel 2011 Eine fiktive Grenze zwischen Norwegen und Russland vor den Toren von Kirkenes Bild: Agnes Bührig Wann wurde das Bild gemacht?: 2011 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Kirkenes, Norwegen
Kunstprojekt „Mind the map“ von Morten Traavik beim Barentsspektakel 2011Bild: Agnes Bührig

Barentsobserver – Berichte aus der Region auf Englisch

Zum Sekretariat gehört die Internetzeitschrift "Barentsobserver". Norwegische Redakteure und Kollegen in Büros auf der russischen Seite berichten auf Englisch über die Entwicklung in der Region.

Die Themen sind vielfältig, sagt Herausgeber Thomas Nilsen: "Unsere Hauptaufgabe ist, zu berichten, was in Nordeuropa und Nordwestrussland passiert, sowohl für europäische wie für russische Leser. Kultur und Völkerverständigung sind der Grundstein der positiven Entwicklung der letzten 20 Jahre. Was Olga und Ivan, Ola und Karin machen, wie die Zusammenarbeit funktioniert, ist unser täglich Brot. Sicherheitspolitik und Wirtschaft sind weitere Sparten."

Zukunftsglauben dank neuer Rohstoff-Funde

Meldungen von neuen Rohstoffvorkommen wie Ölfeldern in der Barentssee, die in den letzten zwei Jahren geortet wurden, stärken den Zukunftsglauben in der Region. Und seit Norwegen und Russland vor zwei Jahren einen 40 Jahre andauernden Streit über den Verlauf ihrer Seegrenze in der Arktis beilegen konnten, ist nun auch klar, wer dort Öl fördern darf.

Touristenattraktion Polarlicht. Jetzt hofft die Region auf Rohstoffe als neue Einnahmequelle
Touristenattraktion Polarlicht. Jetzt hofft die Region auf Rohstoffe als neue EinnahmequelleBild: AP

Eine gute Wirtschaftentwicklung werde langfristig den gesellschaftlichen Wandel in Russland weiter befördern, ist sich Rune Rafaelsen sicher. "Die wichtigste Garantie für Stabilität in dieser Region, das sind große gemeinsame Industrieprojekte. Nordstream, die Gasleitung, die Russland und Deutschland durch die Ostsee verlegt haben, ist dafür ein gutes Beispiel. So etwas würde ich gern auch hier im Norden sehen."

Vielleicht spiegelt sich das auch in der neuen Barentsdeklaration wider. Die soll 2013 von den nordischen Ländern und Russland in Kirkenes unterzeichnet werden. Rune Raffaelsen kann sich vorstellen, dass dann neben wirtschaftlichen Aspekten auch Ziele für mehr Menschenrechte und demokratische Entwicklung eine Rolle spielen werden.