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Tanz- und Folkfest Rudolstadt Tanz- und Folkfest Rudolstadt

30. Juni 2010

Drei Tage, 70.000 Besucher und mehr als 100 Musiker aus aller Welt - das Tanz- und Folkfest Rudolstadt bot zum großen Jubiläum ein überbordendes Programm und ein wenig Erinnerung an vergangene Zeiten.

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Straßenmusiker beleben die Stadt beim TFF Rudolstadt (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance / dpa

Herbst 1990. Gerade wird Deutschland wiedervereinigt, da treffen sich einige Folk-Aktivisten aus ehemals Ost und West, um zu schauen, ob nicht auch die Musikszene gesamtdeutsch weitermachen könnte. Aufeinander trafen Musiker aus Leipzig, die dort in der ehemaligen DDR die sogenannten Tanzhaus-Festivals organisiert hatten und einige Musikjournalisten und Konzertveranstalter mit Erfahrung im westlichen Teil Deutschlands. Der Plan war, ein Festival auf die Beine zu stellen, das die westlichen und östlichen Traditionen verbindet und vereint. Rudolstadt in Thüringen schien der geeignete Ort dafür, denn hier hatten zu Zeiten der DDR die sogenannten Tanzfeste stattgefunden, bei denen Volksmusik neben Volkstanz auch immer schon eine Rolle gespielt hatte.

Vom Tanz- zum Folkfest

Auf allen Plätzen wird musiziert (Foto: DW)
Auf allen Plätzen wird musiziertBild: DW / Matthias Mayr

Seit 1955 gab es in der thüringischen Kleinstadt Rudolstadt die zentralen Tanzfeste der DDR. Der deutsche Volkstanz wurde hier gefördert und ein wenig die deutsche Einheit beschworen. Zumindest in den ersten Jahren trafen sich in Rudolstadt Tanzfreunde aus Ost und West. Später schottete sich auch das Tanzfest ideologisch ab und internationale musikalische Beiträge kamen vor allem aus den sozialistischen Bruderländern. Mit der Wende hatte sich dieses Konzept überlebt, doch eine engagierte Stadtverwaltung und die Visionen einiger Folklore-Anhänger fanden zusammen. Das erste Tanz- und Folkfest Rudolstadt fand im Sommer 1991 statt. Fast 5000 Besucher bekamen schon damals 90 Gruppen und Künstler aus 22 Ländern zu hören. Von Anfang an hatte die Stadtverwaltung Rudolstadt das Festival großzügig unterstützt und die Bereitschaft der Rudolstädter, sich auf ein solches Spektakel einzulassen, war enorm. Denn in Rudolstadt wird kein Festival veranstaltet, für drei Tage im Juli ist Rudolstadt das Festival. Die gesamte Innenstadt ist abgesperrt, auf allen Plätzen gibt es Bühnen, überall in den Straßen wird am Festival-Wochenende musiziert. In den ersten Jahren gab es vor allem Folk und andere traditionelle Musiken, aber bald auch ein weit aus breiteres Spektrum.

Musik der Welt in Thüringen

Im Festival-Programm fanden sich zunehmend Weltmusik und aktuelle Strömungen wie HipHop und Elektronik. Die musikalische Öffnung weg vom Retro-Folk hin zum Klang des 21. Jahrhunderts kam bei einigen alten Folkfreunden durchaus nicht immer positiv an. Sie blieben weg, stattdessen kam ein neues, junges Publikum. Und so ist das TFF, wie es seit 2003 nur noch heißt, ein Festival geworden, das ausgehend von der traditionellen Musik der Welt ein weites musikalisches Spektrum bietet. Auf über 20 Bühnen vom kleinen Straßenmusikpodium über die Rudolstädter Stadtkirche bis hin zur großen Festival-Bühne im Park kommen inzwischen sowohl die Freunde traditioneller Folklore als auch die Fans neuester weltmusikalischer Pophybride auf ihre Kosten.

Die tschechische Gruppe Docuku (Foto: Docoku)
Die tschechische Gruppe DocukuBild: Docuku

Rudolstädter Faszination

Seit den Anfangstagen ist das Rudolstädter Festival mehr als eine bloße Aneinanderreihung von Einzelkonzerten. Viele der Besucher sind selbst Musiker und Straßenmusik ist hier ausdrücklich erwünscht. Auch gibt es speziell für das Festival gestaltete Programme, etwa die Reihe der Magie-Konzerte, die jedes Jahr ein bestimmtes Instrument von der E-Gitarre bis zur Kniegeige in den Mittelpunkt stellt oder die sogenannten Länder-Schwerpunkte, die das Publikum mit der lokalen Musikszene eines Landes vertraut machen. Im Jubiläumsjahr wird es einige Konzerte mit Künstlern aus Äthiopien geben und ein spezielles Ensemble-Programm mit Trompetern und anderen Blechbläsern aus verschiedenen Kulturen. Gerade die Instrumenten-Specials, die sogenannten Magie-Konzerte, sorgten immer wieder für Highlights im Programm und haben schon oft bewiesen, dass unangestrengter musikalischer Dialog zwischen den Kulturen möglich ist.

Offene Ohren statt nostalgischer Verklärung

Saxophonistin spielt auf der Straße in Rudolstadt (Foto: dpa)
Künstler aus allen Kontinenten bringen das Flair der weiten Welt in die Ostthüringer KleinstadtBild: picture-alliance / dpa

Ein wenig gönnt man sich beim 20. TFF auch den Rückblick auf vergangene Zeiten. Mit der sardischen Sängerin Elena Ledda, der tschechischen Gruppe Jablkon und den bayrischen Wellküren sind drei Künstler im Programm, die schon 1991 dabei waren.

Ebenfalls zum Jubiläum gibt es ein Geschenk der europäischen Rundfunkunion EBU. Die veranstaltet in Rudolstadt ihr diesjähriges Contemporary Folk Music Festival und bereichert das Programm um 25 Künstler aus den verschiedensten Ländern Europas. Viele davon dürften den meisten Besuchern unbekannt sein, doch das war in Rudolstadt nie ein Problem. Denn das Publikum kommt nicht wegen einzelner Stars hier her, sondern wegen des Gesamtkonzepts, und so lange die Musik gut ist, findet sie hier immer offene Ohren.

Autor: Matthias Klaus
Redaktion: Suzanne Cords