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25.000 Quadratmeter Rom in Hammamet

Carsten Rave, dpa30. November 2003

In der Nähe des tunesischen Badeortes Hammamet steht eine riesige Nachbildung des antiken Roms. Mit Forum, Tempeln, Kloaken und Bordell. Ein ganzes Dutzend Fernsehfilme über römische Kaiser wird dort entstehen.

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Das neue Rom und sein Imperator: Jan Mojto vor seiner Antiken-KulisseBild: dpa

Um die Straßenecken knattern laute Motorräder mit gelben oder grünen Gemüsekisten auf dem Rücksitz. Alle paar hundert Meter steht ein Teehaus mit eiskaltem Neonlicht, Dutzenden von jungen Männern mit Zigaretten in der Hand und schrecklich schrill eingestellten Fernsehgeräten. Alltag im herbstlichen Hammamet, dem vielleicht bekanntesten Badeort Tunesiens. Jetzt promenieren vornehmlich Rentner auf der ruhigen Flaniermeile zur alten Medina, einer Festung mit Moschee und Souvenirshops.

Das gewohnte Bild der Stadt, rund eine Autostunde von der Hauptstadt Tunis entfernt, ist seit gut einem Jahr um eine abwechslungsreiche Perspektive erweitert worden. Im Hotel "Sindbad" (fünf nationale Sterne) residieren Schauspieler und Fernsehproduzenten aus verschiedenen Ländern. Zur Zeit sitzt der Schotte Hans Matheson im Strandrestaurant und paukt den Text für seine Rolle als Nero, während im Hintergrund ältere Damen Mokka schlürfen.

Rom liegt in Tunesien

Jan Mojto
Filmproduzent und Medienmanager Jan MojtoBild: dpa

Denn in Tunesien dreht TV-Produzent Jan Mojto, bis vor anderthalb Jahren Manager im untergegangenen Reich von Medienmogul Leo Kirch und seitdem selbstständig, sechs Zweiteiler über das Römische Imperium in einem Gesamtwert von 80 bis 90 Millionen Euro. Das bedeutet 13 Millionen Euro pro Zweiteiler. Im Mittelpunkt der Geschichten stehen naturgemäß die römischen Imperatoren höchstselbst. Bereits im Januar 2004 wird das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) das erste Ergebnis ausstrahlen: "Mein Vater der Kaiser" ist ein Film über Kaiser Augustus. "Nero" ist noch beim Dreh, seine Vita wird dem Zuschauer ein Jahr später angeboten.

Kaiser Mojto

Der eigentliche Imperator hinter den Kulissen ist jedoch Jan Mojto. Der gebürtige Slowake, der sich 1969 nach West-Deutschland absetzte, zieht die Fäden wie kein anderer in seinem Gewerbe. Der 54-Jährige schafft es sogar in Zeiten der Geldknappheit in Frankreich, Italien und Deutschland Koproduktionspartner und Sender zu finden, die ihm die Produkte abkaufen und zumindest zu 80 Prozent vorfinanzieren. Den Rest erwirtschaftet Mojto durch weitere Auslandsverkäufe seiner Produktionen. Experten wissen: Wenn Mojto, der immer freundliche Mann mit dem unverkennbaren Akzent und dem Schalk im Nacken, die Branche über die Grenzen hinaus nicht zusammen schweißt, dann schafft das kein anderer mehr.

Dank seiner Initiative entstand 15 Minuten vor den Toren Hammamets ein 22.500 Quadratmeter großes antikes Rom mit Senat, Forum Romanum, Rednertribüne, dem Dioskurentempel und anderen Prachtbauten aus der Blütezeit des antiken Weltreiches. Alle Gebäude sind um ein Drittel kleiner als die Originale und statt aus Marmorquadern bloß aus Styropor.

Es wurde an alles gedacht

Neben den allgemein bekannten Staatsbauten entstanden hier jedoch auch Armenviertel, Latrinen und ein Bordell, in dem unter einer eindeutigen Darstellung der römische Sinnspruch "Hic habitat Felicitas" (Hier wohnt das Glück) steht. Vor einem Jahr wütete sogar ein echter Brand in "Rom City“, fast wie bei Nero. Auch ein Wirbelsturm richtete bereits Schäden an. Die tunesischen Beschäftigten opferten schließlich eine Kuh, damit sich diese Unglücke nicht wiederholen.

15 Millionen Euro hat die Kunststadt in einer natürlichen Senke neben Dattelanpflanzungen und Olivenbäumen gekostet. Zum Telefonieren müssen Mojto und seine Männer manchmal das Tal verlassen, denn die Handys funktionieren dort unten nicht. Die technische Einschränkung ist eine Wohltat für Aufnahmeleiter Fabrizio Castellani - somit werden die vielen Szenen nicht durch klingelnde Handys unterbrochen.

Castellani hat seine Schauspieler gut im Griff. Er ist lautstark und beherrscht einfache, klare Gesten. Vielleicht verschafft ihm auch der Baseballschläger in seiner Hand Respekt, selbst wenn dieser lediglich als Schreibfläche für Autogramme dient.