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Abbas zu Gast im Europa-Parlament

4. Februar 2009

Der Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas redete vor den Europa-Abgeordneten in Straßburg - und fand in seiner Rede harte, aber auch versöhnliche Worte.

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Abbas stehend am Mikrofon, hinter ihm Abgeordnete des Europa-Parlaments (Vild: AP)
Abbas spricht vor den Europa-AbgeordnetenBild: AP

Mahmud Abbas warf den israelischen Streitkräften vor, im Gazastreifen während der fast dreiwöchigen Offensive "Gegossenes Blei" Kriegsverbrechen begangen zu haben. "Mehr als 80 Prozent der Opfer waren Zivilisten, wie würden Sie das nennen? Es gab Verbrechen, und die Menschen, die diese Verbrechen begangen haben, müssen zur Verantwortung gezogen werden", sagte Abbas unter dem Applaus einiger Abgeordneter. Zwar sei er "gegen die von der Hamas auf Israel abgeschossenen Raketen". Sie führten nicht zu Frieden und Stabilität in der Region.

Aber man könne diese Angriffe, die niemanden töteten, nicht auf eine Stufe setzen mit den Militäraktionen der Israelis, bei denen Frauen, Kinder und alte Menschen ums Leben gekommen seien. Insgesamt wurden laut Abbas mehr als 1360 Palästinenser getötet und rund 5000 verletzt. Rund 90.000 Menschen hätten kein Dach mehr über dem Kopf. Durch die Angriffe seien 4000 Wohnhäuser dem Erdboden gleich gemacht worden.

Bereitschaft zu Aussöhnung

Eine Mutter hält vor den Trümmern ihres Hauses einen Sohn in den Armen, ein weiterer steht vor ihr (Bild: AP)
Eine Mutter im Gazastreifen mit zwei ihrer überlebenden Kinder. Zwei Töchter wurden bei den Angriffen getötetBild: AP

Auch im Westjordanland, in dem Abbas' Fatah das Sagen hat, seien Aggressionen Israels an der Tagesordnung. Die Olivenernte werde sabotiert, die Trinkwasser- und Stromversorgung systematisch gestört. Die militärischen Kontrollen seien im Vergleich zu 2007 im vergangenen Jahr von 580 auf 670 gestiegen. Mehr als 11.000 Palästinenser säßen in israelischen Gefängnissen, unter ihnen auch Abgeordnete seines Parlaments.

Abbas bekräftigte vor den Abgeordneten, er sei weiter zu einer Aussöhnung mit Israel bereit, wenn die Besatzung so schnell wie möglich beendet werde. "Wir wollen Israel nicht als Feind". Auch mit der radikal-islamischen Hamas wolle er sprechen. "Die nationale Versöhnung ist eine unserer Prioritäten. Wir haben schon Anfang Juni einen Dialog ohne Vorbedingungen gefordert". "Unsere Tür", so Abbas, "bleibt offen, und wir werden eine Spaltung unseres Volkes nicht zulassen". Der Palästinenserpräsident forderte die Europäische Union auf, ihm bei der Vorbereitung von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu helfen.

Hoffnung auf Obama

Große Hoffnungen setzt Abbas auf die neue US-Regierung. Deren ersten Schritte im Nahen Osten bezeichnete er als "ermutigend". Ein Problem sei jedoch weiter die israelische Siedlungspolitik. Dass die israelische Besatzung beendet werden müsse, sei "nicht verhandelbar". Es gebe dazu mehrere internationale Resolutionen. Zudem sei die Forderung Bestandteil des arabischen Friedensplans von 2002. Dieser sei inzwischen "eine islamische Friedensinitiative" geworden, die von 57 Staaten getragen werde. "Es handelt sich hierbei um eine historische Gelegenheit, die man nicht verpassen darf".

Es bestehe derzeit die einmalige historische Chance, dass 57 islamische Länder mit Israel Frieden schlössen, wenn es den Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 mit der Hauptstadt Ost-Jerusalem zulasse und damit die Besatzung beende. Es handele sich um die längste militärische Besatzung der jüngeren Geschichte, sagte Abbas in seiner Rede, die die Abgeordneten mit stehenden Ovationen annahmen.

Pöttering würdigt Abbas

Der Präsident des Europa-Parlaments, Hans-Gert Pöttering, würdigte den Palästinenserpräsidenten als "Mann des Friedens und des Ausgleichs". Er versprach, das Parlament werde als "ehrlicher Makler" zwischen den Konfliktparteien fungieren. Man unterstütze die ägyptischen Bemühungen, die innerpalästinensische Aussöhnung zwischen der Hamas und der Fatah voranzubringen.

Der Präsident des Europa-Parlaments, Pöttering (rechts), im Gespräch mit Abbas (Bild: AP)
Der Präsident des Europa-Parlaments, Pöttering (rechts), im Gespräch mit AbbasBild: AP

Die EU sei bereit, mit einer palästinensischen Regierung des nationalen Konsenses zusammenzuarbeiten - unter einer Bedingung: "Wir verlangen und erwarten, dass eine solche Regierung die Grundprinzipien des Friedensprozesses achtet, auf Gewalt verzichtet und engagiert Friedensverhandlungen mit Israel führt".

Wiederaufbauprogramm für Gazastreifen

Während der palästinensische Präsident in Straßburg weilte, kündigte der amtierende palästinensische Ministerpräsident Salam Fajad in Ramallah ein Wiederaufbauprogramm für den Gazastreifen an. Dafür würden vor allem internationale Geberländer und Banken insgesamt 600 Millionen Dollar zur Verfügung stellen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde ihrerseits wolle 67 Millionen Dollar an Hilfe zum Wiederaufbau beisteuern. "50 Millionen Dollar werden für Behelfsunterkünfte und dringende Bedürfnisse und weitere 17 Millionen für den Aufbau der zerstörten Infrastruktur gezahlt, vor allem Strom, Wasser und Abwasser", so Fajad.

UN-Hilfsgüter gestohlen

Eine UNRWA-Hilfsstation im Flüchtlingslager Dschabaliya: Auf drei Wagen liegen Säcke mit Nahrungsmitteln bewacht von Kindern, unten links im Bild ein Junge (Bild: AP)
Ein Hilfsgüter-Lager der UNRWA im Flüchtlingslager DschabaliyaBild: picture-alliance / dpa

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNRWA warf der Hamas derweil vor, deren Polizeimiliz habe am Dienstagabend aus einer Hilfsstation im Flüchtlingslager Schatti 3500 Decken und mehr als 4000 Lebensmittelpakete gewaltsam beschlagnahmt. Diese seien für hunderte bedürftige Familien in Gaza bestimmt gewesen. UNWRA hatte sich geweigert, die Ausgabe der Hilfsgüter dem von der Hamas kontrollierten Wohlfahrtsministerium zu überlassen.

Ein Großteil der 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen hängt von der Hilfe der UN-Organisation ab. "Die Übergabe von Hilfsgütern an Flüchtlinge ist Aufgabe der UNWRA, und wir verurteilten ihre Beschlagnahme aufs Schärfste", ließ die Organisation verlauten. UNRWA-Chef Chris Gunness sprach von einem "absolut inakzeptablen" Verhalten.

Hamas-"Sozialminister" Ahmad Kurd stritt die Aktion nicht ab. Er warf der UN-Organisation vor, die Hilfsgüter an lokale Gruppen weiterzuleiten, die Verbindungen zu Gegnern der Hamas hätten. (hy)