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Abitur - sonst nichts

14. Juli 2009

Sie haben ihr Abitur in der Tasche, wollen Arzt oder Jurist werden. Doch die Zukunft für die junge Generation in Gaza sieht düster aus: Nur für ganz wenige gibt es hier Arbeit oder eine Ausbildung.

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Drei junge Menschen inmitten von Trümmern im Gazastreifen (Foto: AP)
Von Freizeitangeboten können viele Kinder und Jugendliche im Gazastreifen nur träumenBild: AP

Es ist Ferienzeit in Gaza. Die Kinder spielen auf der Straße oder gehen in die Sommercamps. In den Ferienlagern des UN-Flüchtlingshilfswerks und der Hamas werden sie kostenlos betreut. Für die Jugendlichen dagegen gibt es kaum eine Beschäftigung. "Es gibt nichts", sagt der 18-jährige Mussa, "keine Freizeitangebote, keinen Tourismus, keinen Strom, nichts.“

Mussa und seine Klassenkameraden verbringen ihre Tage mit Dösen. Gerade haben sie ihre Abschlussprüfungen abgelegt, nun warten sie auf die Ergebnisse. Was sie tun wollen, wenn sie ihre Prüfungen bestanden und ihre Abiturzeugnisse in der Tasche haben? "Ich möchte Zahnmedizin studieren", sagt Yahya. Sein Freund Mohammed erklärt: "Ich hoffe, dass ich mein Abitur bestehe. Dann möchte ich im Ausland Journalismus studieren. Ich will versuchen, ein Stipendium zu bekommen, aber wenn das nicht klappt, dann will ich zu meinem Onkel nach Ungarn gehen." Mussa möchte Krankenpfleger werden, und Ashraf will Jura studieren.

Keine Arbeit, keine Anstellung

Zwei Kinder auf dem Balkon ihres von Einschüssen übersäten Hauses (Foto: AP)
Die Zukunftsaussichten für die junge Generation im Gazastreifen sind düsterBild: AP

Doch die Zukunftsaussichten dieser jungen Männer sind düster. Es gibt keine Arbeit im Gazastreifen, und ständig drängen neue Schulabgänger an die Universitäten und auf den Arbeitsmarkt. Selbst gut ausgebildete Absolventen finden keine Anstellung. Viele wollen den Gazastreifen verlassen, um sich weiterzubilden oder um im Ausland ihr Glück zu versuchen.

So wie Hisham. Er hat seine Ausbildung zum Röntgenassistenten abgeschlossen und arbeitet nun im Gesundheitsministerium. Er hofft, ein Stipendium für Deutschland zu bekommen, um einen weiterführenden Abschluss machen zu können. Bisher hat er noch nichts gesehen von der Welt. "Ich war niemals in Jerusalem, ich war niemals außerhalb Gaza, immer nur in Gaza.“

Hoffnung auf Ausbildung im Ausland

Hishams größter Traum ist es, einmal nach Europa zu reisen. "Ich stelle mir vor, dass ich für eine Woche nach Europa fahre und vielleicht Frankreich besuche. Ich habe gehört, dass es in Europa keine Grenzen gibt. Man kann mit einem Personalausweis überall hinfahren, in jedes Land. Ich kann nicht mal nach Jerusalem, oder nach Bethlehem oder Ramallah. Das ist mein Land, aber ich kann da nicht hingehen, wegen der Israelis und der Grenzen."

Einer, der den Gazastreifen verlassen hat, um im Ausland zu studieren, ist Sami Abdel Shafi. 17 Jahre lang hat er in den USA gelebt, studiert und gearbeitet. Im Jahr 2003 hat er seine erfolgreiche Karriere im Silicon Valley aufgegeben und ist nach Gaza zurückgekommen, um beim Aufbau einer modernen Gesellschaft mitzuhelfen.

Düstere Zukunftsaussichten

"Auf einem persönlichen Niveau habe ich meine Entscheidung ein bisschen bereut, um ehrlich zu sein", sagt Sami Abdel Shafi, "aber nicht vom professionellen und nationalen Standpunkt aus betrachtet. Ich habe auch nicht vor, den Gazastreifen zu verlassen. Wenn ich gehe, dann zu meinen eigenen Bedingungen. Ich möchte nicht von hier vertrieben werden.“

Abdel Shafi, der in Gaza für die Carter-Stiftung und als Politik- und Unternehmens-Berater arbeitet, sieht schwarz, wenn er sich die Zukunft des Gazastreifens vorstellt. "Der Gazastreifen wird eine Bevölkerung haben, die in einer eigenen kleinen Blase lebt, in einer ungesunden Blase. Wir haben schon jetzt Symptome einer Gefängnismentalität, denn die Menschen hier sind völlig eingeschlossen, eingesperrt wie in einem Gefängnis."

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Gazastreifen ist jünger als 18 Jahre. Diese Generation ist abgeschnitten vom Rest der Welt. Sie lebt in drückender Armut, unter der zunehmend intoleranten und engstirnigen Herrschaft der Hamas und ohne Aussicht auf Bildung, Arbeit und Freiheit. Die Zukunft für diese jungen Leute, sagt Sami Abdel Shafi, ist dunkel.

Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Anne Allmeling