1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Abnabelung von Russland im Netz

Roman Goncharenko
16. Mai 2017

Die Ukraine verhängt neue Sanktionen: Sie sperrt soziale Netzwerke und einen Webmail-Dienst aus Russland. Die Maßnahme ist umstritten. Betroffen sind Millionen Bürger, die um ihre Daten bangen.

https://p.dw.com/p/2d4JN
Vkontakte Soziales Netzwerk Russland
Bild: Imago/ITAR-TASS

Die Ukraine hat einen weiteren Schritt weg von Russland unternommen, der für große Aufregung sorgt. Präsident Petro Poroschenko verhängte überraschend neue Sanktionen, von denen auch russische Internetunternehmen betroffen sind. Er setzte damit einen Beschluss des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine um, hieß es aus dem Präsidialamt in Kiew.

So sollen unter anderem die beliebten russischen sozialen Netzwerke VKontakte und Odnoklassniki (Klassenkameraden), der Webmail-Dienst Mail.ru und die Suchmaschine Yandex für drei Jahre gesperrt werden. Nach der Sperrung russischer TV-Sender, die seit der Krim-Annexion 2014 konsequent ausgeweitet wird, will sich die Ukraine damit nun auch im Netz von Russland lösen.

Als das Internet in den 1990er Jahren in die frühere Sowjetrepublik kam, war es fast durchgängig russisch. Die russische Sprache dominierte in Online-Medien und Foren, die meisten Ukrainer nutzten russische Webmail-Anbieter und soziale Netzwerke. Es lag unter anderem an der vertrauten Sprache, aber auch daran, dass das Angebot aus Russland oft qualitativ besser war.

Russisches Netzwerk beliebter als Facebook

Die Krim-Annexion und der Krieg in der Ostukraine brachten eine Wende. Diverse Studien stellten fest, dass immer mehr Ukrainer zu heimischen oder westlichen Anbietern wie Google wechselten. Die US-amerikanische Suchmaschine liegt derzeit auf dem ersten Platz in der Ukraine.

Alischer Usmanow
Alischer Usmanow ist Besitzer des sozialen Netzwerks VKontakte, das überwiegend russischsprachige Nutzer hatBild: picture-alliance/Sputnik/S. Guneev

Doch vor allem in sozialen Netzwerken blieb die russische Dominanz ungebrochen. VKontakte, Russlands soziales Netzwerk Nummer Eins, ist auch bei vielen Ukrainern beliebter als sein westliches Pendant Facebook. Medienberichten zufolge gehört VKontakte ebenso wie Mail.ru zum Firmenimperium des russischen Oligarchen Alischer Usmanow. Er wurde von Präsident Wladimir Putin zuletzt im Januar ausgezeichnet: "für Wohltaten".

Schlag gegen "russische Propaganda"

In der Ukraine gab es in den vergangenen drei Jahren immer wieder Aufrufe, auf russische Webdienste des "Aggressor-Staates", wie Russland in der Ukraine offiziell heißt, zu verzichten. Doch umgesetzt wurde wenig. Der ukrainische Geheimdienst SBU empfahl bereits im Sommer 2014, auf die Nutzung russischer sozialer Netzwerke zu verzichten. Kiew warnte vor dem Zugriff des russischen Geheimdienstes FSB auf Daten ukrainischer Kunden. Ukrainischen Beamten wurde verboten, russische Webdienste beruflich zu nutzen.

Sorjan Schkirjak, Berater des Innenministers Arsen Awakow, warb im Februar für eine allgemeine Sperrung und freut sich nun. "Ich sehe das als unseren gemeinsamen Sieg im Informationskrieg gegen den Aggressor im Kreml", schrieb der Politiker auf Facebook. Man werde den ukrainischen Informationsraum "vom feindlichen Einfluss der russisch-terroristischen Propaganda säubern".

Dabei geht es nicht nur um soziale Netzwerke. Manche warnten vor dem jetzt ebenfalls gesperrten russischen Konzern Yandex, der trotz der politischen Krise zwischen Kiew und Moskau in den vergangenen Jahren mit immer neuen Diensten wie Online-Karten oder Nachrichtenportalen in der Ukraine expandierte.

Angriff auf die Pressefreiheit?

Unklar ist bislang, wie genau die Sanktionen umgesetzt werden sollen. Millionen Ukrainer bangen um ihre Daten und Kontakte in russischen Netzwerken. Manche Experten meinen, dass die Sperrung schwer durchzusetzen sein dürfte. Eine von ihnen ist Oxana Romanjuk, Leiterin des Kiewer Instituts für Massenmedien (IMI). "Die Ukraine ist kein Land, das bei einem Angriff auf die Pressefreiheit schweigen wird", sagte sie der DW. Romanjuk bezweifelt, dass der Erlass des Präsidenten Poroschenko vollständig umgesetzt werden kann.

Andere Kritiker der Sperrung sagen, die Maßnahme sei kontraproduktiv, denn auch ukrainische Geheimdienste würden von den Informationen profitieren, die dort ausgetauscht würden - etwa über Separatisten in der Ostukraine.