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Absehbares US-Veto

19. September 2011

Sollten die Palästinenser bei der UN einen Antrag auf Vollmitgliedschaft stellen, werden die USA im Sicherheitsrat ein Veto einlegen. US-Präsident Obama bleibt keine andere Wahl.

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UN-Sicherheitsrat in New York (Foto: dpa)
Noch ist offen, ob die Palästinenser bei den Vereinten Nationen einen Antrag auf Vollmitgliedschaft stellenBild: picture-alliance/dpa
Porträt von US-Präsident Obama vor einer US-Flagge (Foto: AP)
Präsident Obama unter DruckBild: dapd

Deutlicher könnten die Aussagen der US-Regierung in Bezug auf den geplanten Antrag der Palästinenser bei den Vereinten Nationen nicht sein. Bereits im Mai hatte US-Präsident Barack Obama in London bei einer Pressekonferenz erklärt: "Ich bin der festen Überzeugung, dass es ein Fehler ist, wenn die Palästinenser sich für den Weg über die Vereinten Nationen entscheiden, anstatt sich mit den Israelis hinzusetzen und zu reden." Und erst vor wenigen Tagen hatte seine Außenministerin Hillary Clinton in Washington bestätigt: "Der einzige Weg zu einer dauerhaften Lösung führt über direkte Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien, und dieser Weg führt über Jerusalem und Ramallah, nicht über New York."

Noch im September 2010 hatte sich US-Präsident Obama optimistisch gezeigt. In seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen erklärte er damals, es sei möglich, innerhalb eines Jahres ein Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern zu erreichen, das zu einem unabhängigen und souveränen Staat Palästina führt. Das Jahr ist um, ein Abkommen liegt in weiter Ferne - und der US-Präsident wird nun das genaue Gegenteil von dem tun, was er vor einem Jahr angekündigt hat: In der UN, genauer im Sicherheitsrat, nicht für, sondern gegen einen palästinensischen Staat stimmen.

Kongress ist sich einig

Doch es ist nicht nur die US-Regierung, die den geplanten Antrag der Palästinenser vor den UN ablehnt. In einer Anhörung des außenpolitischen Ausschusses des Repräsentantenhauses in der letzten Woche war der Tenor entsprechend. Die Unterstützung, die Israel unter den Kongressabgeordneten genießt, ist groß.

Der frühere Vorsitzende des Ausschusses, der Demokrat Howard Berman, warnte: "Dieser Schritt, der der wiederholten Bitte der USA genauso widerspricht wie früheren Zusagen der Palästinenser, hat wahrscheinlich verheerende Folgen." Und er werde die Aussichten auf einen palästinensischen Staat mit ziemlicher Sicherheit in weite Ferne rücken.

Finanzhilfen an Palästinenser könnten eingestellt werden

Lebensmittelladen im Gazastreifen (Foto: DW)
Die Menschen im Gazastreifen sind nach wie vor auf Hilfslieferungen angewiesenBild: DW

Eine der Folgen, die die Palästinenser bei ihrem Antrag vor den Vereinten Nationen einkalkulieren müssen, ist die Einschränkung der finanziellen Hilfe, die sie in den vergangenen Jahren von Seiten der USA erhalten haben. Das machte Ileana Ros-Lehtinen, die jetzige Vorsitzende des Ausschusses, deutlich. Denn, so die Republikanerin, "wenn heute ein Palästinensischer Staat ausgerufen würde, dann wäre dieser weder demokratisch noch friedfertig, noch bereit, mit Israel zu verhandeln."

2,5 Milliarden Dollar Hilfsgelder sind in den letzten fünf Jahren an die Palästinenser geflossen. Für Ros-Lehtinen wurde damit das "schlechte Verhalten" der Palästinenser "nur noch belohnt". Steve Chabot, republikanischer Abgeordneter aus Ohio, wurde deutlich: "Wenn die Palästinenser den eingeschlagenen Weg fortsetzen, dann wird sich dieser Kongress nicht die Frage stellen, welcher Teil der Hilfe gekürzt wird, sondern vielmehr, wie viel überhaupt noch übrig bleibt."

Obama muss sich öffentlicher Meinung beugen

Der Konsens in der Frage ist parteiübergreifend. Demokraten und Republikaner sind sich ausnahmsweise einmal einig. Deswegen bleibt Präsident Obama auch keine andere Wahl, als sich den Palästinensern im Sicherheitsrat entgegen zu stellen, erklärt Graeme Bannerman vom Middle East Institut in Washington. Obama entspreche damit dem politischen Willen nicht nur des Kongresses, sondern auch der breiten amerikanischen Öffentlichkeit, die traditionell Probleme damit habe, Druck auf Israel auszuüben: "Politisch gibt es zurzeit in den USA nur eine Möglichkeit: Gegen den Antrag ein Veto einzulegen."

Und das, obwohl der größte Teil der Welt zu einer anderen Einschätzung kommt. Aber Präsident Obama will im nächsten Jahr wiedergewählt werden und kann sich eine so demonstrative Unterstützung der Palästinenser, die als Konfrontation mit den Israelis aufgefasst wird, nicht leisten. Die Republikaner warten nur darauf, dass der Präsident einen Fehler macht. Der Nahe Osten ist prädestiniert dafür. Das heißt allerdings nicht, dass der US-Präsident für den Stillstand im Nahen Osten allein verantwortlich zu machen ist, sagt Aaron David Miller, Nahost-Experte beim Woodrow-Wilson Center. Miller war Nahost-Berater von sechs US-Außenministern und meint: "Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er den Status von Jerusalem, die Frage der Grenzsicherheit und der Flüchtlinge nicht gelöst hat." Hier seien die Positionen von Israelis und Palästinensern einfach zu weit auseinander, das Misstrauen sei zu groß und sitze zu tief.

Obamas Fehler

Israelische Siedlung im Westjordanland (Foto: dpa)
Israelische Siedlungen in Palästinensergebieten bleiben umstrittenBild: picture alliance/landov

Dass Obama Fehler gemacht hat, ist allerdings unbestritten. Aaron David Miller sagt: "Präsident Obama hat seine Situation verschlechtert, indem er sich auf die falschen Dinge konzentriert hat, indem er Erwartungen geweckt hat, indem er die Siedlungen zum A und O gemacht hat." Obama hatte auf einem Siedlungsstopp der Israelis bestanden, schließlich aber nachgeben müssen, als die Israelis den Siedlungsbau wieder aufnahmen. Und noch etwas muss sich der Präsident vorhalten lassen, sagt Miller: Obama habe es nicht geschafft, ein konstruktives Verhältnis zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu aufzubauen, sich nicht entscheiden können, ob er an Netanjahu appelliert oder ihn bestraft.

"Man kann in diesem Prozess keinen Fortschritt erzielen, ohne eine Beziehung auf der Arbeitsebene herzustellen", sagt Regierungsberater Miller, "dabei ist es völlig egal, ob man den anderen mag oder nicht oder ihm vertraut oder nicht." Und das habe Obama noch nicht geschafft. Doch im Sicherheitsrat gegen den Antrag der Palästinenser zu stimmen, ist auch noch aus einem anderen Grund ein Muss, erklärt Miller: "Man kann 25 Jahre amerikanischer Politik nicht über den Haufen werfen." Denn es ist und bleibt der fundamentale Glauben der Amerikaner, dass Verhandlungen der einzige Weg sind, den Nahost-Konflikt zu beenden.

Autorin: Christina Bergmann, Washington, DC
Redaktion: Julia Elvers-Guyot