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Absturz-Katastrophe am Bodensee

2. Juli 2002

Bei der schwersten Flugzeugkatastrophe in Deutschland seit fast 30 Jahren sind in der Nacht zum Dienstag (2. Juli 2002) mindestens 71 Menschen ums Leben gekommen.

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Ein Zusammenstoß in der Luft war schuldBild: AP

Über Überlingen stießen 25 Minuten vor Mitternacht eine russische Passagiermaschine und ein Frachtflugzeug in 11.000 Meter Höhe zusammen und stürzten ab. Es gab keine Überlebenden. Die Tupolew 154 war mit 69 Russen besetzt, darunter 52 Jugendlichen, fünf Begleitern und zwölf Mann
Besatzung. In der Frachtmaschine vom Typ Boeing 757 starben der Pilot und der Ko-Pilot.

Beide Maschinen gleichzeitig im Sinkflug

Wie durch ein Wunder wurde am Boden niemand von herabstürzenden Wrackteilen verletzt, die nördlich des Sees über 30 Kilometer verstreut vom Himmel fielen. Das Flugzeugunglück ereignete sich nach Darstellung der Schweizer Flugsicherung Skyguide während des Sinkflugs beider Maschinen. Die russische ging auf Anweisung des Fluglotsen tiefer, das Frachtflugzeug nach einer automatischen Warnung im Cockpit.

Wie Anton Maag, Chef des Kontrollturms, auf dem Flughafen Zürich-Kloten weiter berichtete, reagierte der Pilot der aus Moskau gekommenen Tupolew zunächst nicht auf Aufforderungen des Kontrollturms, seine Flughöhe zu verringern. Als er es dann doch tat, hatte den Angaben zufolge auch die Frachtmaschine des Paketdienstes DHX-DHL bereits den Sinkflug eingeleitet, um einen Zusammenprall zu vermeiden.

Sprachprobleme zwischen dem Fluglotsen und der russischen Besatzung habe es keine gegeben, sagte Maag. Beide Flugzeuge waren laut Skyguide auf der gleichen Funkfrequenz, so dass sie den Verkehr mit dem Kontrollturm gegenseitig hören mussten.

Flugschreiber gefunden

Vor allem die 20.000 Einwohner zählende Stadt Überlingen am Bodensee entging nur knapp einer Katastrophe. Sie liegt nur drei Kilometer von der Hauptabsturzstelle bei Owingen entfernt, wo unter anderem ein komplettes Leitwerk der russischen Maschine niederging.

Rund 800 Polizisten und Hunderte weiterer Helfer von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk waren im Einsatz. 22 Boote suchten den See nach Wrackteilen und Leichen ab, Hubschrauber mit Wärmebildkameras kreisten über dem Gebiet. Bis zum Mittag wurden zwölf Leichen und auch der Flugschreiber der Tupolew geborgen. Ein achtköpfiges Team der Braunschweiger Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) nahm die Ermittlungen auf.

Viele Kinder unter den Opfern

Die Passagiermaschine hatte eine russische Reisegruppe an Bord und war auf dem Weg von Moskau über München nach Barcelona. Die 52 Jugendlichen und fünf Begleiter waren nach Angaben der Fluggesellschaft Bashkirian Airlines bereits am Samstag in Moskau gelandet, hatten aber ihren Anschlussflug verpasst. Auf ihre Bitte stellte die Gesellschaft am Montag eine Chartermaschine bereit. Nach Informationen der russischen Nachrichtenagentur ITAR-Tass waren viele der Jugendlichen Kinder hochrangiger Regierungs- und Universitätsfunktionäre.

Der Flug wurde von der UNESCO finanziell gefördert, die in der Hauptstadt Uta der Republik Baschkortostan eine Schule mit betreibt. Offiziell handelte es sich um eine Auszeichnung für besonders gute Schüler. Baschkortostan liegt in der Wolga-Region im südlichen Teil des Uralgebirges und gehört zur Russischen Föderation.

Die Frachtmaschine mit einem britischen Piloten und seinem kanadischen Kopiloten kam von Bahrein über das norditalienische Bergamo und sollte weiter nach Brüssel fliegen.

Kein Hinweis auf kriminellen Hintergrund

Die Identifizierung der Leichen wird voraussichtlich noch Tage dauern, wie der Leiter der Polizeidirektion Friedrichshafen, Hans-Peter Walser, erläuterte. Die Polizei forderte die Bevölkerung auf, Wrackteile den Behörden zu melden. Es gebe bislang keine Hinweise, die auf einen kriminellen Hintergrund deuteten, sagte Walser. Die Staatsanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf.

Bundespräsident Johannes Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigten sich erschüttert. "Wir sind tief betroffen davon, dass so viele ihr Leben lassen mussten", sagte das Staatsoberhaupt am Dienstag im ARD-Fernsehen.

Bei der bislang schwersten Flugzeugkatastrophe in Deutschland war am 14. August 1972 eine Iljuschin über der DDR-Stadt Königs Wusterhausen abgestürzt. Alle 156 Passagiere starben. (ap/kas)