1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Abzug nein!

10. Juli 2009
https://p.dw.com/p/Il45
Themenbild Pro und Contra
Bild: DW

Es stimmt! Menschenrechte und Militär in einem Atemzug zu nennen, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Frieden kann nur von innen wachsen. Und trotzdem sage ich, dass die westlichen Truppen in Afghanistan bleiben müssen, weil der Westen eine große Mitschuld an der afghanischen Misere trägt.

Die internationale Staatengemeinschaft wollte nach dem Sturz des Taliban-Regimes alles gleichzeitig: schützen, helfen und eine demokratische Verfassung nach westlichem Vorbild erzwingen! Aber der Westen wollte auch und vor allem Terroristen jagen: Zu diesem Krieg gehörten von Anfang an Luftangriffe ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, unheilige Allianzen mit machthungrigen afghanischen Kriegsfürsten und Foltergefängnisse.

Der Westen ist wie eine Lawine über Afghanistan hereingebrochen, ohne sich für seine Geschichte, seine ethnische Vielfalt, seine Kultur, seine tiefe Religiosität und seine innere Zerrissenheit nach drei Jahrzehnten Dauerkrieg zu interessieren. Der Westen ist nie als politische Einheit aufgetreten, hat widersprüchliche Ziele formuliert und die Rolle Pakistans ignoriert. Das ist eine politisch miserable Bilanz nach acht Jahren. Aber wenn der Westen jetzt seine Truppen abzöge, dann hätten Terror und Gewalt freie Bahn und einen sicheren Rückzugsraum. Dann hätte die Zivilbevölkerung überhaupt keine Chance mehr. Dann würde Afghanistan zerfallen, und alles wäre umsonst gewesen.

Die einzige Alternative, die ich nach vielen Afghanistan-Aufenthalten sehe, ist, jede einzelne Militäraktion genau abzuwägen, auf Luftangriffe komplett zu verzichten und den Wiederaufbau vor allem im ländlichen Raum massiv und koordiniert zu fördern. Wir müssen außerdem unsere vielen Fehler offen zugeben und unsere Ziele endlich ehrlich formulieren.

Die große Mehrheit der Afghanen will in Sicherheit leben, um Frieden zu schaffen. Aber die Menschen lehnen uns und unsere Truppen da ab, wo wir als Besatzungsmacht auftreten.

Autorin: Sandra Petersmann

Redaktion: Martin Schrader