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Achselzucken in Brüssel

Alexander Kudascheff, Brüssel21. August 2002

Brüssel, so liest und hört man überall, Brüssel muss und wird den Flutopfern in Deutschland helfen. Alexander Kudascheff erläutert, warum das nicht ganz einfach sein wird.

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Brüssel muss Gelder in Milliardenhöhe freigeben, es muss das EURO-Füllhorn öffnen und ausschütten. Das ist eine berechtigte Forderung, aber ist sie auch realistisch. Nein. So barsch und einfach ist das. Brüssel kann zwar den Opfern von Naturkatastrophen in Belize, Honduras, Malawi oder Indonesien helfen. Es kann Hunderte von Millionen für regionale Entwicklungshilfe in der Dritten und der Zweiten Welt ausgeben. Doch, wenn ein Mitgliedsland der EU eine Katastrophe erlebt, dann kann Brüssel nur mit den Achseln zucken. Leider, so jedenfalls, die Les-und Tonart der Eurokraten. Denn: zum einen gibt es keinen Katastrophenfonds der EU. Es gab ihn, er wurde vom europäischen Parlament Mitte der 90er Jahre abgeschafft, denn - zynisch gesagt - Katastrophen gibt es im Herzen von Wohlfahrtseuropa nicht.

Aber, und das ist viel wichtiger. Brüssel, also die europäische Kommission, und das ist mit Europa gemeint, Brüssel hat zwar einen Etat, aber den verteilt es nur. Und zwar genau festgelegt: für Subventionen, Programme, Hilfen. Das heißt: selbst wenn Gelder aus dem Forschungsetat nicht verwendet werden, können sie nicht umgeschichtet werden. Wenn zum Beispiel Milliarden für die Mittelmeerländer brach liegen, kann man sie nicht zur Hilfe der Flutopfer einsetzen. Ja, selbst Gelder aus dem Regionalfonds, die für Spanien bestimmt sind, können nicht in Sachsen oder Bayern eingesetzt werden.

Die Kommission ist die Hüterin des Geldes, es selbst nach Lage einsetzen, darf sie nicht. Sie ist keine Regierung, sie hat keine eigenen Gelder, sie darf keine Schulden machen (sehr löblich übrigens), sondern sie ist eine (gut bezahlte) Verwaltung. Mehr nicht. Und deswegen sind die Vorwürfe an Brüssel, es gebe keine Euros für die Flutopfer her, wohlfeil oder zeigen, dass Haushaltsexperten in Berlin nichts über die Regeln des europäischen haushaltsrechts wissen. Wer nicht umschichten darf, kann nur Geld geben, dass er sowieso geben wollte. Das ist das Brüsseler Dilemma. Prodi und die anderen - sie wollen helfen, aber das Haushaltsrecht zwingt ihnen ein kaltes Herz auf. Wer das ändern will, muss die Rolle der Kommission neu bestimmen. Er muss eine Regierung mit eigenem Steuerrecht wollen - aber wer will das? Berlin jedenfalls bisher nicht, London, Paris übrigens auch nicht. Dann aber ist das Lamento über Brüssel nur Wahlkampfgequatsche.