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Acht Brücken Festival

18. Mai 2011

Über acht Brücken kann man in Köln den Rhein überqueren. "Acht Brücken. Musik für Köln" heißt auch ein neues Festival in der Rheinmetropole, das Grenzen niederreißen will.

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Saal der Kölner Philharmonie (Pressedownload von http://www.achtbruecken.de/presse/download)
Beliebte Spielstätte: die Kölner PhilharmonieBild: KölnMusik/Jörg Hejkal

Klassische und neue Musik sollen sich dabei genauso näher kommen wie Werke und Hörer. Weniger ist dabei mehr: Einmal im Jahr will man für knapp acht Tage jeweils ein Land, einen Komponisten oder ein musikalisches Phänomen ins Rampenlicht rücken. Diesmal waren es Frankreich und dessen wohl berühmtester lebender Musiker, der Komponist und Dirigent Pierre Boulez.

Altmeister der neuen Musik

Extrem sparsam in den Gesten, elegant und kraftvoll im Ausdruck eröffnete der 86-jährige Pierre Boulez das ihm gewidmete Festival vom Dirigentenpult aus. Mit dem famos klar klingenden Mahler Chamber Orchestra (MCO) interpretierte er Werke von Strawinsky, Ravel und Schönberg. Alle drei Komponisten waren Wegbereiter der musikalischen Moderne. Schönbergs extrem schwieriges Violinkonzert spielte recht virtuos der junge Geiger Michael Barenboim.

Pierre Boulez dirigiert (Foto: Harald Hoffmann/DG/Deutsche Grammophon)
Ausnahmetalent Pierre BoulezBild: Harald Hoffmann/DG

Sein berühmter Vater und Boulez-Freund, der Stardirigent Daniel Barenboim, lauschte gebannt und sorgte mit seiner Präsenz für einen gewissen Glanz bei der Eröffnung des neuen Festivals am 8. Mai, das seine Existenzberechtigung in einer Stadt wie Köln erst beweisen muss. Schließlich verfügt die Rheinmetropole bereits über ein reichhaltiges Konzertleben und eine der besten Philharmonien Deutschlands.

Überlebender der Nachkriegsavantgarde Boy Group

"Ich finde es schon notwendig, dass man ein Festival macht!", entgegnete der Philharmoniechef und Festivalleiter Louwrens Langevoort. In einem Festival habe man Möglichkeiten, so Langevoort, dem Publikum ein bestimmtes Thema ausführlich zu präsentieren. Und dieses Thema hieß Pierre Boulez. Der französische Ausnahmemusiker gilt als letzter Überlebender aus der "Boy Group" der Nachkriegsavantgarde, zu der unter anderem Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono gehörten.

Michael Barenboim(Foto: @barenboim/beethovenfest)
Geigenvirtuose Michael BarenboimBild: Barenboim / Beethovenfest

Konzerte, aber auch zahlreiche weitere Veranstaltungen wie etwa Filmvorführungen stellten das "Phänomen Boulez" im breiten Kontext der französischen und europäischen Musik dar und beleuchteten seine Rolle quer durch die Generationen. "Boulez ist eigentlich wie kein anderer ein Vertreter neuer Gedanken," sagt Langevoort. "Er ist eine Person, die nicht nur durchs Komponieren oder Dirigieren bekannt ist. Er sorgt immer für Bewegung. Das ist eine Person, die man ehren muss!"



Weniger ist manchmal mehr


"Acht Brücken" ist ein Nachfolgefestival der Kölner MusikTriennale, und genau deren Fehler will das neue Fest nicht wiederholen. Das bedeutet, dass man sich auf ein viel knapperes Programm einigte. Zahlreiche "Appetithäppchen" fürs Publikum standen im ersten Jahrgang auf dem Spielplan: etwa ein täglicher kostenloser "Musik-Lunch" oder ein von Partylaune inspiriertes Konzert mit DJs und hippen elektronischen Klängen aus Paris.

Das hat Wirkung; das Publikum in der Philharmonie sah insgesamt viel jünger aus als sonst, und es handelte sich offensichtlich nicht nur um Musikfreaks. "Man fängt Fliegen mit Honig, nicht mit Essig", um Boulez zu zitieren. Das Publikum wurde auch zu ungewohnten Konzertorten gelockt. Der wohl extravaganteste von allen, ein Lager für mobile Hochwasserschutzelemente an der Rodenkirchener Brücke, überraschte mit einem imposanten Innenraum und erstaunlich guter Akustik. Die Veranstalter schwärmten von einer doppelten Form von Abenteuer: "Nie gesehener Raum stärkt die Wirkung der nie gehörten Musik. Dann konzentriert man sich auf eine andere Weise!"

Mit Boulez durch Köln

Festivalleiter Louwrens Langevoort (Foto: @picture-alliance/ dpa)
Festivalleiter Louwrens LangevoortBild: picture-alliance/dpa

Die Zeit zwischen den Konzerten konnte man sinnvoll bei einem "musikalischen Spaziergang" durch die Kölner Innenstadt nutzen. Der unterhaltsame Audioguide (als Download fürs Handy zu haben) führte durch die ruhmreiche Geschichte der Kölner Musik-Avantgarde, mit der Boulez so eng verbunden war. So hörte man, wenn man vor dem baufälligen Kölner Opernhaus stand, den berühmten Aufruf zur "Stunde Null" in der Musik: "Die teuerste Lösung wäre, das Opernhaus in die Luft zu sprengen. Aber glauben sie nicht, dass dies auch die Eleganteste wäre?"

Boulez selbst winkt ab, wenn man ihn mit dieser Parole aus seiner Sturm- und Drang-Zeit konfrontiert. Von ihm stammt auch der Satz: "Wer immer nur zornig ist, verspielt seine Wirkung." Das kann man von Boulez wirklich nicht sagen. Das Acht Brücken-Festival lieferte mehr als nur einen Beweis dafür.

Autorin: Anastassia Boutsko
Redaktion: Rick Fulker