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Adler gegen Tiger

6. Juni 2003

Die EU-Osterweiterung ist ein langwieriger politischer Prozess - die Wirtschaft jedenfalls ist schneller. Tankstellen in Deutschland zum Beispiel bekommen jetzt Konkurrenz aus Polen.

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Konkurrenz belebt das Geschäft

Das Logo des polnischen Mineralölkonzerns Orlen soll für die Autofahrer in den nördlichen Bundesländern bis hin nach Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt schon bald zum vertrauten Straßenbild gehören. "Wir wollen in der Nordhälfte Deutschlands zehn Prozent Marktanteil erreichen", sagt der Geschäftsführer von Orlen Deutschland, Jean-Jacques Verschueren. Am Freitag (6. Juni 2003) beginnt die Marktoffensive mit der Eröffnung der ersten deutschen Orlen-Tankstelle in Berlin. Deutsche und polnische Prominenz hat sich angesagt, für die Bundesregierung kommt Wirtschaftsminister Wolfgang Clement.

Orlen ist mit Abstand das größte polnische Unternehmen, das auf dem deutschen Markt investiert. Im März 2003 hat die polnische Muttergesellschaft PKN (Polski Koncern Naftowy) Orlen für 140 Millionen Euro knapp 500 Tankstellen von der fusionierten Gesellschaft Aral/BP übernommen. Über die geschäftliche Seite hinaus hat das Investment auch eine symbolische politische Bedeutung. Am Wochenende nach der Tankstellen-Eröffnung in Berlin stimmen die Polen über ihren Beitritt zur Europäischen Union ab. Mit Orlen wird die
wirtschaftliche Verflechtung zwischen Polen und Deutschland enger.

Willkommen im Westen

"Wir werden jedes Jahr 30 neue Tankstellen bauen oder kaufen und 30 Millionen Euro investieren", sagt Verschueren, der die deutsche Orlen-Organisation aus dem schleswig-holsteinischen Elmshorn führt. Die Überkapazitäten auf dem deutschen Markt, wo etwa jede vierte Tankstelle zu viel ist, schrecken ihn nicht. "Wir bauen große und moderne Stationen an guten Standorten, aber wir werden auch kleine und unrentable Stationen schließen", sagt er.

Mit 150 Tankstellen will der Belgier gegen Shell, Aral und Esso im Hochpreissegment antreten. Die übrigen 350 Stationen werden beim Benzinpreis um einen Cent je Liter unter den so genannten A-Marken bleiben. Trotz der hohen Investitionen will Orlen schon in diesem Jahr die Gewinnschwelle erreichen.

PKN Orlen ist mit einem Jahresumsatz von 4,6 Milliarden Euro und rund 7500 Beschäftigten klarer Marktführer in Polen. Der ehemalige Staatsmonopolist verfügt über 60 Prozent der Raffineriekapazitäten und beherrscht 40 Prozent des Tankstellenmarktes im östlichen Nachbarland. "Das Unternehmen ist sehr professionell und effizient", versichert Verschueren, der über Shell und Aral zu Orlen gekommen ist. "Schließlich konkurriert es in Polen erfolgreich mit allen
westlichen Gesellschaften."

Keine Discount-Tanke

Shop und Waschanlage, Produkte und Anmutung werden für den Kunden ähnlich wie bei anderen Tankstellen sein. Das Benzin stammt ohnehin aus westdeutschen Raffinerien. Für die Autofahrer dürfte der neue Benzinanbieter aus dem Osten somit zunächst wenig Veränderungen mit sich bringen - und auch keine günstigeren Preise.

Verschueren zerstreut vorsorglich Befürchtungen aus der Branche, nach denen er einen neuen ruinösen Preiskampf auslösen könnte. "Wir werden sehr vorsichtig agieren und mit dem Markt gehen", sagt er. Als Insider des westdeutschen Marktes hat er seine Lehren aus dem Debakel des Jahres 2000 gezogen, als ein Preiskampf den Tankstellen in Deutschland einen Milliardenverlust bescherte. (kas)