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Adolf Muschg: Europa erlebt die Grenze nationaler Politiken

23. Juni 2005

Schweizer Schriftsteller im Interview von DW-WORLD.DE

https://p.dw.com/p/6pEN

"In Europa passiert im Augenblick etwas ungemein Normales: Das, was wir jetzt Europa ankreiden, ist die Erfahrung der Grenze der nationalen Politiken. Die Probleme sind im Augenblick größer als die Möglichkeiten jeder Regierung, sie zu lösen." Das sagte der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg in einem Interview von DW-WORLD.DE. "Voneinander lernen muss eine grenzüberschreitende Hauptbeschäftigung in Europa werden", so der 71-Jährige, der auch Präsident der Akademie der Künste in Berlin ist.

Muschg sprach sich für eine "gut funktionierende repräsentative Demokratie in den großen Ländern" sowie für Volksentscheide in Europa aus. Er räumte zugleich ein, Europa habe "keine wirkliche Demokratie, sondern eine Demoskopie: Politiker lassen sich von Meinungsforschern sagen, welche Themen sie besetzen sollen und welche besser nicht. Das ist genau das Gegenteil dessen, was man unter Politik verstehen könnte." Politiker in der Schweiz seien derzeit noch sehr viel weniger medienabhängig als die der "großen Länder". Muschg: "Die Kleinheit der Schweiz ist eine große Chance."

Er sei indes "weit davon entfernt, die Schweiz als Modell für Europa zu empfehlen", in dem unterschiedliche Kulturen, Sprachgruppen und Religionen friedlich zusammenlebten. Bei näherer Betrachtung sehe "hier nicht mehr alles so glänzend aus". Irgendwann, so Muschg, müssten aber auch "die Schweizer über ihren Schatten springen und sagen: Wir müssen für dieses Europa, von dem wir so viel haben, auch mal selber etwas tun. Dieser Gedanke ist noch unendlich weit entfernt. Aber damit ist die Schweiz nicht allein", so Muschg zur Online-Redaktion der Deutschen Welle.

22. Juni 2005
161/05