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AfD sucht ein sauberes Image

Kay-Alexander Scholz, Berlin14. März 2016

Sie seien auf dem Weg zu einer neuen Volkspartei, frohlockt die AfD nach dem guten Abschneiden bei den Landtagswahlen. Doch noch ist die Partei programmatisch weit davon entfernt. Dennoch will sie dazu gehören.

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André Poggenburg bei der Landtagswahl der AfD in Magdeburg. (Foto: dpa)
Lässt sich nochmal schick machen: André Poggenburg von der AfD in Sachsen-AnhaltBild: picture alliance/dpa/J. Woitas

Am Tag eins nach der Wahl war die AfD bemüht, sich nicht als Ein-Themen-Partei zu präsentieren, die allein wegen der Flüchtlingskrise zweistellige Wahlerfolge in drei Bundesländern feiern konnte.

In der Tat arbeiten viele hinter den Kulissen schon länger an einem Parteiprogramm, es gibt eine Handvoll Fachausschüsse. Der Machtkampf zwischen Frauke Petry mit dem Ex-Vorsitzenden Bernd Lucke im vergangenen Jahr hat diesen Prozess verlangsamt. Nun soll Ende April ein Programm-Parteitag stattfinden.

Doch natürlich war es bisher eine recht komfortable Situation für die AfD. Sie konnte, weil programmatisch indifferent, Profiteur einer weit verbreiteten Proteststimmung infolge der Flüchtlingskrise sein. Doch die Zeiten werden sich ändern, deshalb will sich die AfD breiter aufstellen.

Bei der Premiere in der Bundespressekonferenz - die Partei durfte erstmals als Gast des Vereins der Hauptstadtjournalisten eine Pressekonferenz im großen Saal halten - gab Petry deshalb eine neuen Slogan aus: "Wir sind die Partei des sozialen Friedens". Das klingt erst einmal gut und ist zudem noch die Anti-Aussage zum medial häufig gemachten Vorwurf, die AfD sei hetzerisch und damit für Angriffe auf Flüchtlingsheime verantwortlich.

Fokus weiter auf Migration und Islam

Petry erläuterte, dass die deutsche Gesellschaft eine Spaltung gleich auf mehreren Ebenen erlebe. Die Mittelschichten gerieten finanziell immer stärker unter Druck - deshalb müsse der Sozialstaat gestärkt werden. Eine andere Gefahr für den sozialen Frieden sei eine "Ethnisierung von Gewalt" - es gebe entsprechende Clans und "Stadtteile, in die die Polizei nicht mehr geht". Als gefährdend stufte Petry auch die Diskussionen über richtige Kleidung von Frauen und nach Geschlechtern getrennte Öffnungszeiten in Schwimmhallen ein. Mit der Migration habe sich Deutschland eine "kulturelle Differenz eingehandelt". Als Problem bezeichnete Petry auch, dass es so viele Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsheime gebe.

Deutschland AfD zu den Landtagswahlen (Foto: picture-alliance/dpa/W. Kumm)
Premiere im Haus der Bundespressekonferenz: Von links nach rechts - Uwe Junge aus Rheinland-Pfalz; André Poggenburg, Sachsen-Anhalt; Jörg Meuthen aus Baden-Württemberg und Frauke PetryBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Der Islam gehöre nicht zu Deutschland, Menschen muslimischen Glaubens aber schon. Und natürlich sei die AfD für freie Religionsausübung, gab Petry die bisher offizielle AfD-Richtlinie wieder. Sie versuchte aber, das Thema kleinzureden, indem sie es als "ein Thema unter vielen" bezeichnete. Möglicher Hintergrund: Gerade erst am Wochenende wurde berichtet, dass auf dem Landesparteitag in Berlin radikale Positionen zu hören gewesen seien: zum Beispiel ein Verbot von Minarette und Kopftücher in Schulen.

Auch beim Vize-Parteichef Alexander Gauland klangen die Themen Flüchtlingspolitik und Islam deutlich an: Als "Partei der kleinen Leute" wolle man sich um jene Menschen kümmern, die das Gefühl hätten, "die Flüchtlinge nehmen ihnen etwas weg", sagte Gauland, der auch Partei- und Fraktionschef in Brandenburg ist.

Wer bin ich?

Eines ist der Parteiführung gewiss: In der Parteienlandschaft braucht die AfD ein Etikett. Als rechtspopulistisch aber will man nicht gelten. Petry beschwerte sich über dieses "stigmatisierende Etikett" bei den anwesenden Journalisten. Bei der Pressekonferenz in Berlin schlug die AfD-Führung nur ein Sammelsurium von Bezeichnungen als Alternative vor: das reicht von konservativ, bürgerlich-liberal, patriotisch-weltoffen, rechtskonservativ, bis nationalkonservativ oder rechtsliberal.

Grundsätzlich sei eine inhaltlich-strategische Breite kein Problem, meinte Gauland. Die Partei müsse nur alle Positionen zusammenhalten. Gauland gilt derzeit als Brückenkopf zwischen den radikalen und gemäßigten Teilen der Partei. Sein Verhältnis zu Frauke Petry gilt als gespannt. Gauland wirkte vor, während und nach der Pressekonferenz auch den anderen AfD-Chefs gegenüber distanziert. Welche Rolle er und der Thüringer Parteichef Björn Höcke in Zukunft in der Partei haben werden, dürfte für den inneren Parteifrieden von großer Bedeutung sein. Höckes Parteifreund André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt jedenfalls ließ keine Distanz zu Petry aufkommen. Im Gegenteil: Er nickte oft, wenn sie sprach und freute sich, wenn die Parteichefin schlagfertig auf Journalistenfragen parierte.

Der Volkswirt Jörg Meuthen - Co-Sprecher der Partei und wahrscheinlich bald Fraktionschef in Baden-Württemberg - versuchte die Etikette zu ordnen: Gesellschaftspolitisch sei man konservativ, bei Wirtschaftsfragen eher liberal. Zu letzterem passte die Ankündigung, sich für einen Komplettumbau des Steuersystems einsetzen zu wollen, das radikal vereinfachen und auf breiter Front entlasten soll. Der Program-Parteitag wird zeigen, wie das konkret aussehen könnte. Und woher die Steuereinnahmen kommen sollen, um mehr Polizisten einzustellen - eine andere Forderung, die immer wieder auftaucht.

Was Deutsche über den AfD-Wahlerfolg denken

Gegen TTIP

Von transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP hält die AfD nicht viel. Aber nicht, weil man gegen Freihandel sei, so Petry. Vielmehr, weil man mit bestimmten Grundsätzen im Vertrag nicht einverstanden sei: Dazu zählten die Schiedsgerichte, aber auch die angedachte "globale Ausschreibungspflicht", bei der Vergabe von Aufträgen auf kommunaler Ebene. Schon die "europäisierte Ausschreibung" habe zur Folge gehabt, dass Löhne bei deutschen Anbietern wie zum Beispiel den Maltesern gesunken seien.

Gauland ergänzte, man wolle auch keine erneute Teilung Europas, sondern eine gemeinsame Ordnung mit Russland. Was eine Freihandelszone mit den USA verhindere.

Insgesamt lief die Pressekonferenz relativ unaufgeregt ab. Ganz am Ende aber, also vor dem Saal hier und da nur noch Einzelinterviews geführt wurden, gab es eine Zwischenfall: Ein junger Mann hatte sich ins Atrium geschlichen und schrie "Lügen-Petry! Lügen-Petry!" Er wurde schnell wieder nach draußen geführt. Petry lächelte und schüttelte gleichzeitig mit dem Kopf.