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Afghanischer Wunschzettel

Said Musa Samimy31. März 2004

"Afghanistan und die internationale Gemeinschaft - eine Partnerschaft für die Zukunft", so lautet das Motto der Internationalen Afghanistan-Konferenz in Berlin. Kabul hat einen langen Wunschzettel mitgebracht.

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Der Wiederaufbau Afghanistans kostet viel GeldBild: AP
Afghanistan Konferenz Hamid Karsai und Heidemarie Wieczorek-Zeul
Der afghanische Präsident Hamid Karsai, links, und die Bundesministerin fuer wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, rechts, eroeffnen am Dienstag, 30. Maerz 2004, in Berlin eine Investorenkonferenz. Karsai steht im Mittelpunkt der Internationalen Afghanistan-Konferenz, die am Mittwoch von Bundeskanzler Gerhard Schroeder eroeffnet wird und an der fuer zwei Tage 60 Delegationen aus 40 Laendern sowie von UN, EU und NATO teilnehmen. (AP Photo/Jockel Finck)Bild: AP

Der internationalen Gemeinschaft war von Anfang an klar, dass die eigentliche Unterstützung für Afghanistan erst nach Vertreibung des Taliban-Regimes und der mit ihm verbündeten El-Kaida-Kämpfer beginnen würde. Das Land war nach Jahrzehnten der Bürgerkriege und Taliban-Herrschaft völlig abgewirtschaftet. Ohne kräftige und dauerhafte internationale Unterstützung konnte und kann Afghanistan nicht zu Frieden, Stabilität und bescheidenem Wohlstand kommen. Vielmehr bestünde eine ernstzunehmende Gefahr, dass das Land erneut zum Rückzugsgebiet für Terroristen werden könnte.

Herkulesaufgabe

Der Wiederaufbau der völlig zerstörten Infrastruktur, die Demobilisierung von Hunderttausenden Mudschaheddin-Kämpfern, die Millionen afghanischen Flüchtlinge - dies zusammen galt von Anfang an als Herkulesaufgabe, die die Kräfte der afghanischen Interimsverwaltung allein bei weitem überfordern würde.

Um möglichst schnell und effektiv Aufbauhilfe zu leisten, wurde im Januar 2002 in Tokio eine internationale Geber-Konferenz abgehalten. Teilnehmer waren Vertreter aus insgesamt rund 60 Staaten sowie mehr als 20 Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO). Am Ende der zweitägigen Konferenz standen finanzielle Zusagen von mehr als viereinhalb Milliarden Dollar. Allerdings ist bisher nur ein Bruchteil davon auch tatsächlich überwiesen worden.

Um Geld geht es auch auf der 3. Geber-Konferenz in Berlin (31.3./1.4.). Mehr als 60 Delegationen nehmen daran teil, darunter Vertreter aus allen EU-, G8- und NATO-Staaten sowie den Nachbarländern Afghanistans. In Berlin sollen auch finanziell die Weichen für die weitere Entwicklung Afghanistans gestellt werden. In einem Interview mit der Deutschen Welle bezifferte der Minister für Wiederaufbau, Mohammad Amin Farhang, die erforderlichen zusätzlichen Investitionshilfen der internationalen Staatengemeinschaft in den kommenden fünf Jahren auf rund zehn Milliarden Dollar.

Geld für die Zivilgesellschaft

Afghanistans Regierung begründet seine Geldforderung mit seiner neuen Entwicklungsstrategie: Man benötige zusätzliche Mittel, weil es inzwischen nicht mehr ausreiche, nur die elementaren Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Genauso wichtig seien künftig der Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur und Maßnahmen zur Etablierung einer Zivilgesellschaft in Afghanistan.

Tatsächlich fehlt es aber auch heute noch oft am Nötigsten. Afghanistan musste 2002 und 2003 die Rückkehr von rund drei Millionen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran verkraften. Das hätte selbst hoch entwickelten Industrie-Nationen einen großen Kraftakt abverlangt. Nach UN-Schätzungen leben immer noch 60 bis 80 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle. Das heißt, ihnen steht pro Tag weniger als ein US-Dollar für den Lebensunterhalt zur Verfügung. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt nur knapp über 40 Jahren; mehr als die Hälfte der Kinder unter fünf Jahren sind unterernährt.

Zeichen der Besserung

Immerhin: Durch die internationale Unterstützung gibt es langsam erste kleine Anzeichen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Zugleich jedoch muss sich die afghanische Regierung um Infrastrukturmaßnahmen kümmern, die ebenfalls viel Geld verschlingen. Das Spektrum dieser Vorhaben erstreckt sich vom Straßen- und Brückenbau über die Instandsetzung traditioneller Bewässerungsanlagen bis hin zur Förderung der Landwirtschaft.

Wiederaufbau-Minister Farhang gibt sich optimistisch, dass die internationale Gemeinschaft das Entwicklungskonzept der afghanischen Regierung auf der Konferenz in Berlin unterstützen wird. Der wirtschaftliche Aufbau sei schließlich ein unverzichtbarer Bestandteil bei der Schaffung von Sicherheit und Stabilität.

Internationale Verpflichtungen

"Wir wollen eine umfassende und angemessene Wiederaufbauarbeit leisten. Deswegen tragen wir unsere Erwartungen vor und weisen auch auf die internationalen Verpflichtungen hin", sagt Farhang. "Ich bin sicher, dass wir auf der Berliner Konferenz letzten Endes einen Kompromiss finden werden."

Afghanistans Regierung selbst hat allerdings inzwischen die hohen finanziellen Erwartungen an die Geberländer deutlich relativiert. Finanzminister Ashraf Ghani signalisierte, dass er als Kompromiss auch mit 60 Prozent der geforderten Finanzmittel leben könne. Das wären sechs Milliarden Dollar.