Warnung vor Endlosschleife
30. März 2012Generalmajor Markus Kneip wirkt zurückhaltend, ernst und bescheiden bei seinem Auftritt vor der Bundespressekonferenz in Berlin. Erst vor wenigen Wochen hat er das Kommando über die internationale ISAF-Schutztruppe im Norden Afghanistans an seinen Nachfolger Erich Pfeffer übergeben. Nun will er vor der Hauptstadtpresse berichten, wie sich die Zusammenarbeit mit den afghanischen Sicherheitskräften vor Ort entwickelt hat, wo die Probleme liegen und welche Aufgaben vor den internationalen Truppen bis zu dem geplanten Abzug liegen. Sein eigenes Schicksal – im Mai vergangenen Jahres wurde er bei einem Sprengstoffanschlag schwer verwundet und musste zwei Monate lange in Deutschland behandelt werden – kommt dabei nicht zur Sprache.
"Ohne Sicherheit geht gar nichts"
Die internationale Zusammenarbeit sei im Norden Afghanistans besonders wichtig. Inzwischen seien dort Soldaten aus bis zu 21 Nationen im Einsatz. Das erfordere hohen Abstimmungsbedarf. Er selbst sei von den amerikanischen Kommandeuren, von General Petraeus und seinem Nachfolger Allen immer gut und umfassend informiert worden. Die Deutschen selbst wiederum seien im Norden Dienstleister für die Soldaten vieler anderer Nationen, die zum Teil sogar deutsche Uniformen trügen, deutsches Material und die deutsche Versorgung nutzten.
Das Hauptaugenmerk gelte nach einigen tödlichen Zwischenfällen mit afghanischen Aufständischen inzwischen der Sicherheit in den Militärstützpunkten und außerhalb. So seien alle Lager mit Kameras und Überwachungsballons ausgestattet. Darüber hinaus nutze man biometrische Daten, um mögliche Angreifer aufzuspüren und zu identifizieren. Schließlich gehörten zum Sicherheitskonzept auch die enge Zusammenarbeit mit den afghanischen Partnern und der Kontakt mit der Bevölkerung. Nur wenn die deutschen Truppen ihre eigene Sicherheit gewährleisten könnten, seien sie auch für die Afghanen ernstzunehmende und vertrauenswürdige Partner. "Ohne eigene Sicherheit geht da gar nichts", so Kneip.
Tödliche Gefahren für die ISAF-Truppen
Die Hauptbedrohung für die ISAF-Soldaten seien Sprengfallen und sogenannte Innentäter, also Afghanen, die mit den ausländischen Truppen zusammen arbeiten und sich plötzlich gegen sie wenden. So wurden im Februar 2011 drei deutsche Soldaten getötet, als ein uniformierter Afghane in ihrem Außenposten in der Provinz Pol-i Khmori das Feuer eröffnete. Sechs weitere Soldaten wurden bei diesem Zwischenfall verwundet. "Es kann jederzeit wieder passieren", warnt General Kneip. Die meisten Opfer seien aber bei Angriffen von Taliban oder bei Anschlägen mit Bomben, die am Wegrand platziert sind, zu beklagen. Verbesserungsbedarf sieht der deutsche Offizier daher nach wie vor bei der Zusammenarbeit mit den afghanischen Sicherheitskräften. Es könne nicht sein, dass deutsche Truppen außerhalb der Stützpunkte isolierte Stellungen halten müssten, während die afghanischen Soldaten in den Kasernen blieben.
Insgesamt habe sich die Sicherheitslage aber deutlich verbessert. Es sei gelungen, die Vorkommnisse um 40 bis 70 Prozent zu reduzieren. Für einen Soldaten sei aber auch dies noch unbefriedigend. Sein Bestreben müsse es sein, die Angriffe auf Null zu reduzieren. "Ich bewerte jeden gefallenen Soldaten oder toten Schutzbefohlenen als einen persönlichen Imageschaden."
Zusammenarbeit mit Zivilisten
Auch die Zusammenarbeit zwischen Zivilisten und Militärs sei ausbaufähig. In Nordafghanistan seien zahlreiche internationale Entwicklungshelfer tätig, darunter auch viele Deutsche, die zum Teil schon seit Jahren in vielfältigen Projekten arbeiteten. Er habe versucht, Kontakt zu diesen zivilen Helfern aufzubauen und wünsche sich hier mehr Transparenz und mehr Austausch. Ähnliches gelte für die Menschenrechtsorganisation Afghan Independent Human Rights Watch und die UNAMA, die Afghanistan-Mission der Vereinten Nationen. Auch die Beratung der Gouverneure bei Fragen des zivilen Aufbaus müsse ausgebaut werden. Die Bundesregierung habe ihre finanziellen Zuwendungen für entsprechende Entwicklungshilfeprojekte deutlich erhöht. Leider fehle es aber an der Umsetzung. "Das ist eine Endlosschleife. Man hat das Gefühl, man kommt nie zum Ende", so Kneip resigniert. Ziel müsse es aber bleiben, die neun Provinzen und 122 Distrikte in die Selbstverwaltung zu führen.