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Mehr als nur Handel

11. Februar 2011

Die Partnerschaft zwischen Afrika und der EU ist mehr als nur Handel. Doch just an diesen Handelsbeziehungen scheiden sich derzeit die Geister. Die EU drängt auf Freihandelsabkommen, die viele in Afrika nicht wollen.

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Szene bei EU-Afrika-Gipfel in Tripolis (Foto: AP)
EU-Ratspräsident van Rompuy und al-Gaddafi beim letzten EU-Afrika-GipfelBild: AP
Pressekonfererenz in Addis Abeba, links John K. Shinkaiye, und rechts, Koen Vervaeke, EU-Sonderbeauftragter bei AU, (Foto: EU-Delegation)
AU-Diplomat John K. Shinkaiye (l.) und EU-Sonderbeauftragter Koen Vervaeke in Addis AbebaBild: Conseiller Presse Information

Koen Vervaeke ist ein aufmerksamer Beobachter. Der Diplomat im Dienst der Europäischen Union ist Sonderbeauftragter bei den Institutionen der Afrikanischen Union (AU) im äthiopischen Addis Abeba. Und was er dort am Hauptsitz der Organisation beobachtet, die seit 2002 die politische Stimme von 53 afrikanischen Staaten sein will, das sei bemerkenswert, sagt er: "Afrika verwandelt sich in einem atemberaubenden Tempo, ist zunehmend integriert in die Weltpolitik und den globalen Handel." Der Leiter der 50-köpfigen EU-Repräsentanz zieht daraus vor allem einen Schluss: "Unsere Politik muss sich verändern, denn wir können mit Afrika nicht so umgehen, als wäre es vornehmlich ein Empfänger von Hilfsgeldern." Der Kontinent sei gewachsen und entwickle sich zu einem Partner auf Augenhöhe.

Afrika und Europa arbeiten gemeinsam Strategien aus

Flaggem in Tripolis (Foto: EPA/SABRI ELMHEDWI)
53 Flaggen symbolisieren die Afrikanische UnionBild: picture-alliance/landov

Diese Partnerschaft auf Augenhöhe wurde von der EU und der AU immer wieder beschworen, zuletzt auf dem EU-Afrika-Gipfel im November 2010 im libyschen Tripolis. Die "Erklärung von Tripolis" bildet den vorläufigen Schlusspunkt eines behutsamen Annäherungsprozesses zwischen Afrika und Europa. Ein Prozess, der erst langsam an Fahrt aufgenommen hat. Noch im Jahr 2005 formulierte die EU im Alleingang eine Strategie für Afrika. Erst auf dem EU-Afrika-Gipfel in Lissabon 2007 sei dann der Paradigmenwechsel erfolgt, sagt Professorin Christa Randzio-Plath, stellvertretende Vorsitzende von VENRO, dem Dachverband der deutschen Entwicklungshilfeorganisationen. "Die Europäische Union hat eingesehen, dass man keine Strategien für Afrika machen kann, sondern dass man Strategien mit Afrika entwickeln und durchführen muss."

Der in Tripolis im November 2010 verabschiedete Aktionsplan für die Jahre 2011 bis 2013 bildet die Arbeitsgrundlage für die strategische Partnerschaft. In acht thematischen Schwerpunkten verpflichten sich beide Seiten, gemeinsame Interessen auszuloten und enger zu kooperieren. Dazu gehört: eine engere Diplomatie zur Bewältigung politischer Krisen, gemeinsame Positionen beim Klimaschutz, die Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele, Energie- und Infrastrukturprojekte und neue Wege zum Umgang mit Migration und Flucht. Das klinge alles schön, sagt Christa Randzio-Plath. Doch noch passe vieles nicht zueinander. So widerspreche vor allem die Handelspolitik der EU vielen entwicklungspolitischen Zielen.

Conatinerschiff auf dem Suezkanal (Foto: Horst Ossinger)
Schiff voller Hoffnung? Wie Europa und Afrika handeln, ist entscheidendBild: picture-alliance/ dpa

Diktiert die EU noch immer die Spielregeln?

Die EU verhandelt bereits seit Jahren mit sieben regionalen Gruppen der insgesamt 79 afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP-Staaten) über Freihandelsabkommen. Doch die Verhandlungen über diese sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) stocken. Nur mit einer Gruppe konnte bislang ein Abkommen geschlossen werden, das alle Mitglieder erfasst. Viele afrikanische Länder lehnen es bislang kategorisch ab, ihre heimischen Märkte - wie von der Union gefordert - zu 80 Prozent für EU-Exporte zu öffnen. Vor allem bei den Ländern Ost- und Westafrikas sowie in der Zentralafrika-Gruppe ist der Verhandlungserfolg der EU gering. Die Gruppe westafrikanischer Staaten will beispielsweise nur 69 Prozent ihres Güterhandels liberalisieren. Die EU drängt, denn nur wenn die afrikanischen Staaten ihre Märkte öffnen, können die bereits gültigen vergünstigten Einfuhrzölle für afrikanische Produkte in die EU aufrechterhalten bleiben. Die EU stützt sich dabei auf geltendes Recht der Welthandelsorganisation WTO, die die seit 1975 existierenden einseitigen Präferenzabkommen der EU mit AKP-Staaten ablehnt. Sie würden gegen den Gleichheitsgrundsatz aller WTO-Mitgliedsstaaten verstoßen und müssten deshalb durch Freihandelszonen ersetzt werden.

Zwiebel-Landwirt in Niger (Foto: von Sani Elhadj Magori, Niger 2008)
Paradox in Niger: Ihre Zwiebeln sind plötzlich zu teuerBild: dok-leipzig.de

Noch scheinen die Argumente der EU nicht überzeugend genug, denn nur wenige der insgesamt 79 AKP-Staaten, die an den Verhandlungen teilnehmen, haben ihre lukrative Einnahmequelle "Importzoll" bislang abgebaut. Nur 35 AKP-Staaten haben bis Ende Januar überhaupt Abkommen unterzeichnet, viele davon sogar nur Übergangsabkommen für spezielle Gütergruppen. Kritiker wie Christa Randzio-Plath können das gut verstehen: Sie befürchtet, die hochsubventionierte europäische Überschussproduktion in der Landwirtschaft würde ungehindert die afrikanischen Märkte überschwemmen. Mit katastrophalen Folgen für lokale Produzenten, wie sie betont. "Die Zwiebeln, die mit EU-Exportsubventionen nach Afrika gelangen, sind wesentlich billiger als die auf dem afrikanischen Markt hergestellten." Wie solle ein lokaler Landwirt damit konkurrieren? Wie die EU also verlangen könne, dass afrikanische Staaten ihre Märkte öffneten, ohne gleichzeitig die eigenen Subventionen in der Landwirtschaft abzubauen, das könne sie nicht verstehen. "Das ist einfach ein Unding."

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen als Prüfstein

Für Koen Vervaeke dagegen bieten die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, trotz beißender Kritik aus der Zivilgesellschaft, eine riesige Chance - für Europa und für Afrika. Die EU ist der wichtigste Absatzmarkt für afrikanische Produkte, vor den USA und China. Und umgekehrt gehen heute neun Prozent des Außenhandels der EU nach Afrika. Beide Seiten hätten sich dafür ausgesprochen, die regionale Integration zu stärken und den gemeinsamen Handel auszubauen. Und auch eine ausbalancierte Wirtschaftspartnerschaft sei ein erklärtes gemeinsames Ziel. "Die jetzt verhandelten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen bieten für all diese Ziele und Anliegen eine Antwort", sagt der Belgier Vervaeke. "Wenn wir uns da nicht einigen oder verständigen können, dann würden wir unsere gemeinsamen Ziele nicht ernst nehmen." Auch auf die Bedenken der afrikanischen Partner werde eingegangen, denn die Abkommen böten Schutzklauseln an. So könnten die afrikanischen Partner 20 Prozent des heimischen Marktes dauerhaft vor ausländischer Konkurrenz schützen. Und für besonders sensible Gütergruppen akzeptiere die EU vor dem Auslaufen der restlichen Quoten und Einfuhrzölle großzügige Übergangsregelungen.

Koen Vervaeke wird auch die weiteren Verhandlungen aufmerksam beobachten. Denn aus seiner Arbeit in Addis Abeba weiß er: So wie man verhandelt, so wird man auch behandelt. Bis 2020 sollte der Abstimmungsprozess aber geschafft sein. Dann läuft das derzeitige Cotonou-Abkommen endgültig aus, dessen Nachfolger eigentlich die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen sein sollten.

Autor: Richard A. Fuchs

Redaktion: Julia Kuckelkorn