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Wo steckt Kriegsverbrecher Kony?

Philipp Sandner24. September 2012

Wo steckt Joseph Kony? Truppen aus vier Staaten verfolgen den Rebellenchef aus Uganda - mit mäßigem Erfolg. Der Militäreinsatz allein wird der Region keinen Frieden bringen, warnen Beobachter.

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Symbolbild: Soldat der Kongolesischen Armee (FARDC) (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Er ist der wohl meist gesuchte Kriegsverbrecher Afrikas: Joseph Kony, Chef der ugandischen Rebellenorganisation Lord's Resistance Army (LRA), der "Widerstandsarmee des Herrn". Seit Jahren hält sich der Milizenführer versteckt - irgendwo im zentralafrikanischen Urwald.

Bereits seit 2005 liegt beim internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ein Haftbefehl gegen Kony und zwei seiner Kommandeure vor. Der Vorwurf: Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Doch erst seit einigen Monaten kommt die Fahndung nach dem Rebellenchef langsam in Fahrt - nicht zuletzt wegen einer umstrittenen Medienkampagne der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation "Invisible Children". In einem Internetfilm machen die Aktivisten auf Konys Gräueltaten aufmerksam, darunter Mord, Vergewaltigung, Versklavung, Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten. Fast hundert Millionen Nutzer haben das Video seit seiner Veröffentlichung im Frühjahr bei YouTube aufgerufen.

LRA-Anführer Joseph Kony (Foto: AP)
Gesucht: Joseph KonyBild: AP

Ein Versteck so groß wie Frankreich

Kony finden und festsetzen - das ist nun die Mission einer neu gegründeten Militäreinheit unter dem Kommando der Afrikanischen Union (AU). Die Soldaten kommen aus Uganda, der Demokratischen  Republik Kongo, aus dem Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik - aus jenen Ländern, die besonders unter dem Konflikt mit der LRA gelitten haben. 5000 Mann stark soll der Fahndungstrupp einmal sein, doch bislang ist gerade einmal die Hälfte der Soldaten im Einsatz. Sie stammen überwiegend aus Uganda.

"Wir können Kony kriegen", ist sich Felix Kulayigye, Sprecher der ugandischen Armee, sicher. "Aber es braucht Zeit. Wir brauchen logistische und technologische Unterstützung: Flugzeuge, Nahrungsmittel, Benzin". Dabei sollen auch die USA helfen. Hundert amerikanische Spezialeinsatzkräfte sind bereits vor Ort. Das Gebiet, das die Truppen durchsuchen müssen, ist etwa so groß wie Frankreich - unwegsames Gelände, dichter Urwald. Irgendwo hier, zwischen Zentralafrika, Sudan und der Demokratischen Republik Kongo halten sich Kony und die letzten Kämpfer der LRA versteckt. Anfang September hatten die Rebellen 55 Menschen in der zentralafrikanischen Provinz Bangassou entführt - einer der wenigen Anhaltspunkte für die Fahnder.

Karte Uganda und Nachbarländer (DW Infografik)
Wo steckt Kony? Jagd über Grenzen hinweg

Symptom einer schwierigen Nachbarschaft

Und dabei habe die LRA nur noch an die 300 Kämpfer, schätzt Kasper Agger, der in Uganda für die Nichtregierungsorganistaion "Enough Project" arbeitet. Er glaubt, dass die Truppen es dennoch schwer haben werden, sie zu finden. "Die Rebellen können sich frei über die Grenze in den Kongo hinein bewegen - im Gegensatz zu ihren Verfolgern", so Agger im Gespräch mit der DW. Denn die rund 2000 Soldaten, die Uganda für die Fahndungsaktion bereitgestellt hat, dürfen im Kongo nicht operieren. Und dort würden die Rebellen kaum auf militärische Gegenwehr stoßen, meint Agger. Erst vor kurzem wurde eine kongolesische Einheit in die Kivu-Region versetzt, wo sie zur Bekämpfung eines Aufstands gebraucht wird.

Die LRA-Rebellen kennen sich aus im unwegsamen Grenzgebiet. Seit mehr als 25 Jahren sind sie in der Region aktiv. Ihre Gründung war das Ergebnis interner Machtkämpfe in Uganda. 1986 kämpfte sich der heutige Präsident Yoweri Museveni gewaltsam an die Macht. Museveni, der aus dem Südwesten Ugandas stammt, inszenierte seinen Kampf als Befreiung aus der Herrschaft des Nordens. Von dort stammte nicht nur sein Vorgänger Milton Obote, auch die Armee bestand fast ausschließlich aus Nordugandern. Umso gewaltsamer gingen Musevenis Soldaten gegen die Bevölkerung im Norden vor. Hier gründete Joseph Kony 1986 seine Widerstandsbewegung, die Lord's Resistance Army - angeblich weil der "heilige Geist" es ihm befahl. Unterstützung fanden die Rebellen über die Jahre vor allem im Nachbarland Sudan. Die Regierung in Khartum nutzte die LRA als Verbündete im Kampf gegen interne Gegner. 2006 zog sich die LRA unter dem Druck der Armee aus Uganda zurück.

Ugandas Präsident Yoweri Museveni (Foto: dapd)
Ugandas Präsident MuseveniBild: dapd

Der steinige Weg zum Frieden

Die langwierigen Friedensgespräche mit der Regierung scheiterten 2008. Schuld daran sei auch die ugandische Armee, sagt Mareike Schomerus von der London School of Economics. Die Truppen hätten ihre Angriffe auf die LRA-Kämpfer in entscheidenden Momenten der Verhandlungen einfach fortgesetzt. "Und seit Jahren ist die Armee in Uganda genauso wie die LRA gegen Zivilisten vorgegangen", so Schomerus im Gespräch mit der DW.

Gelitten hat vor allem der Norden Ugandas. Die Bevölkerung hier habe kein Vertrauen mehr in die Soldaten, sagt auch Ethnologin Lioba Lenhart vom Institut für Frieden und Strategische Studien (IPSS) im nordugandischen Gulu. "Für die Leute, die immer noch Angehörige vermissen, die irgendwann von der LRA entführt wurden, ist Versöhnung nach wie vor ein großes Thema", so Lenhart. Um das zu erreichen, müsse Uganda die Rebellen ermutigen, freiwillig aufzugeben. Viele Menschen im Norden befürworten daher eine Amnestie für die Kämpfer. Ein entsprechendes Gesetz gab es schon - doch das hob die Regierung im Mai wieder auf.

Flüchtlinge im nordugandischen Gulu, 2006 (Foto: AP)
Leben in Angst: Flüchtlinge im nordugandischen Gulu, 2006Bild: AP

Für die Fahndungsmission der AU bedeutet das: Selbst wenn es gelingt, Rebellenführer Kony zu verhaften, ist das noch längst kein Sieg über die LRA. Uganda und seine Nachbarländer müssten zunächst die Ursachen des Konflikts bekämpfen, sagt Mareike Schomerus. "Die Erfahrung hat gezeigt, dass mehr Soldaten nicht mehr Frieden bringen." Im Zentralafrika geht die Jagd nach Joseph Kony unterdessen weiter. Beobachter fürchten, dass er mit Teilen der LRA bereits auf dem Weg ins sudanesische Darfur ist. Dort könnte ihm Sudans Regierung Unterschlupf gewähren.