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Afrika zwischen Science-Fiction und Realität

Melina Grundmann
20. März 2018

Afrika als Kontinent der Innovation - das klingt für viele Menschen paradox. Doch was in fiktionalen Werken wie "Black Panther" schon lange Thema ist, hat auch in der Realität längst begonnen.

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Eine schwarze Frau mit kunstvoller Gesichtsbemalung hält mitten in der Wüste eine durchsichtige Scheibe mit Daten vor sich. (Bild: © VG Bild-Kunst, Bonn 2017)
Filmstill aus Simon Rittmeiers "DREXCIYA 2012 - Courtesy of the artist", zu sehen in der Ausstellung "Afro-Tech and the Future of Re-Invention" im Dortmunder UBild: VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Blauer Meereshintergrund, davor eine Muschel, deren Perle keine Perle ist, sondern ein Handy. Zu ihren Seiten ragen Glasfaserkabel nach links und nach rechts. In der Mitte steht in blauen Buchstaben: "Das Internet liegt auf dem Boden des Meeres."

In dem animierten Video "Deep Down Tidal" beschäftigt sich die in Südafrika lebende Medienkünstlerin Tabita Rezaire mit dem Meer als Speicher der verlorenen Erinnerungen und Geschichten der schwarzen Bevölkerung, aber auch als Ort, der die Kommunikation verschiedener Kontinente verbindet - nämlich durch Tiefseeglasfaserkabel. Rezaire zeigt, dass diese denselben Routen folgen wie einst die Sklavenschiffe der Kolonialzeit.

Die Installation "Deep Down Tidal" von Tabita Rezaire (Bild: "Deep Down Tidal" von Tabita Rezaire)
"Deep Down Tidal" von Tabita RezaireBild: "Deep Down Tital" von Tabita Rezaire

"Deep Down Tidal" ist Teil der Ausstellung "Afro-Tech and the Future of Re-Invention" des Hartware MedienKunstVereins, die zurzeit im Dortmunder U zu sehen ist. Sie bringt die kulturelle Strömung des Afrofuturismus mit realen technologischen Erfindungen aus Afrika zusammen. "Afrofuturismus", erklärt der Kurator der Ausstellung, Fabian Saavedra-Lara, "besteht immer aus politischen Ideen und Konzepten. Es geht immer darum, zu schauen, wie können wir uns eine Zukunft vorstellen, die nicht auf Rassismus, auf Ausschluss und Ausbeutung basiert. Denn wenn es in der Gegenwart keinen Raum für die eigene Geschichte gibt, weil man diskriminiert wird, und wenn die eigene Geschichte durch die Erfahrung von gewaltsam gekappten Wurzeln abgerissen ist aufgrund der Sklaverei, dann suche ich diesen Raum für die eigene Geschichte in der Zukunft. Das ist eine der Grundideen des Afrofuturismus."

Szene aus dem Film "Black Panther" (Bild: picture-alliance/dpa/Marvel Studios)
Filmszene aus "Black Panther"Bild: picture-alliance/dpa/Marvel Studios

Dazu gehören vor allem Science-Fiction-Werke, wie auch der aktuelle Film "Black Panther", in dem es um das fiktionale moderne afrikanische Land Wakanda geht, das dem Rest der Welt technologisch fast ein Jahrhundert voraus ist. "Im Moment gibt es auf dem afrikanischen Kontinent durch die Ausbreitung von digitalen Technologien einen unglaublichen Boom an Science-Fiction und an Zukunftsvorstellungen", so Saavedra-Lara. Auch in der Ausstellung stehen sich Science-Fiction und Technologie gegenüber: Da eine Handprothese aus dem 3-D-Drucker, die in Südafrika erfunden wurde, hier eine Videoinstallation, in der afrikanische Technik die Welt beherrscht. Das Ziel: zeigen, dass Afrika durchaus als Kontinent der Innovation gesehen werden kann.

Mann mit einer Roboter-Handprothese (Bild: DW Global 3000)
Die "Robohand" der gleichnamigen Firma aus Südafrika

Nur Fiktion - oder hat die Entwicklung längst begonnen?

"Wir behaupten, dass diese Erzählungen auf dem afrikanischen Kontinent im Moment Realität werden. Deshalb haben wir für unsere Ausstellung verschiedene Tech-Projekte zusammengesucht, die als Beweise für diese Spekulationen dienen", so Kuratorin Inke Arns.

Ein gutes Beispiel dafür ist M-Pesa. Der mobile Bezahldienst wurde vor über zehn Jahren in Kenia entwickelt. Er ermöglicht es, bargeldlos über das Handy zu bezahlen, ohne auf ein Bankkonto angewiesen zu sein. "Jetzt schaut man sich an, wie man dieses Verfahren auch in Europa oder in anderen Staaten sinnvoll nutzen kann. Da sind wir im Vergleich zu der Entwicklung in Afrika noch zehn Schritte zurück", sagt Sannssi Cissé, Mitarbeiter des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.

Ein weiteres Beispiel für die Innovationskraft des afrikanischen Kontinents und wie M-Pesa Teil der Dortmunder Ausstellung ist das Unternehmen BRCK. Die kenianische Firma hat einen batteriebetriebenen, extrem robusten WLAN-Router entwickelt, der selbst in sehr ländlichen Regionen offenen Internetzugang bietet und Zugriff auf lokal gespeicherte Inhalte ermöglicht. Der Router ist wasserdicht und kann bis zu zehn Stunden ohne externe Stromversorgung betrieben werden.

An einen Mast montierter Router (Bild: Stephen Gacheru)
Der "SupaBRCK"-RouterBild: Stephen Gacheru

Häufige Stromausfälle und die Instabilität der Energieversorgung vor Ort haben zu der Idee geführt, den "SupaBRCK" zu erfinden. "Es macht keinen Sinn, Produkte, die in Afrika gebraucht werden, irgendwo anders zu entwickeln. Wir müssen sie hier herstellen und hier testen, nur so können wir Ideen weiterentwickeln", sagt Jeff Maina, Kreativdirektor bei BRCK. "Wir denken sehr viel darüber nach, wie unsere Zukunft in Afrika aussehen wird. Teil dieser Entwicklung zu sein fühlt sich manchmal so an wie Teil eines Science-Fiction-Films zu sein. Wir stellen ein Produkt her, das Teil der Zukunft sein wird. Mein Ziel ist es, Leute miteinander zu vernetzen, die bisher noch keinen Zugang zum Internet haben. Und wenn man Zugang zum Internet hat, hat man Zugang zur ganzen Welt." Maina ist davon überzeugt, dass Kooperationen und Partnerschaften in Zukunft essenziell sein werden, um dieses Projekt voranzubringen.

 Sannssi Cissé (Bild: Afrika-Verein)
Sannssi Cissé vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft ist Mitorganisator der "Start-up Night! Afrika 2018"Bild: Afrika-Verein

Solche Kooperationen global zu fördern ist eines der Ziele der "Start-up Night! Africa 2018", die erstmals Ende März in Berlin stattfand und vom Afrika-Verein mitorganisiert wird. Hier tauschen sich Start-ups aus Deutschland und verschiedenen afrikanischen Ländern über ihre Vorstellungen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit aus. "Das Ernstnehmen der Entwicklungen aus Afrika war in der Vergangenheit sicher noch zu wenig der Fall. Ein Umdenken findet aber statt. Dass sich jetzt unsere Ministerien mit Innovationen aus Afrika auseinandersetzen, zeigt uns, was für ein Paradigmenwechsel hier bereits stattgefunden hat", sagt Cissé.

Mit über 40 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahren ist Afrika der jüngste Kontinent der Welt. "Afrika ist ein Markt, den der Westen auf dem Schirm haben sollte - und in den er im besten Falle einsteigen sollte", sagt auch Jeff Maina.

In der Kultur hat diese Interaktion bereits begonnen. "Es gibt aktuell das Phänomen, dass afrofuturistische Settings oder einige Ideen des Afrofuturismus Eingang in die globale Unterhaltungsindustrie finden", sagt Saavedra-Lara. "Es ist wichtig, dass wir feststellen, dass es komplett andere Perspektiven auf die Welt gibt als unsere eigene, westliche. Dafür müssen wir Diskussionsraum schaffen. Nur so können wir uns selbst kritisch hinterfragen und zu einer gemeinschaftlichen Diskussion auf Augenhöhe kommen, wie eine erstrebenswerte, gemeinsame Zukunft aussehen soll."