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AI prangert Haftbedingungen in Nordkorea an

8. Mai 2011

Zwangsarbeit, Folter und Hungertod: So sieht nach einem neuen Bericht von Amnesty International der Alltag von rund 200.000 politischen Häftlingen in Nordkorea aus. In Lagern leben sie unter unmenschlichen Bedingungen.

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Landkarte von Nordkorea (Foto: AP)
Standhaft leugnet die nordkoreanische Regierung die Existenz von StraflagernBild: AP

Sein Arbeitstag habe immer um vier Uhr morgens begonnen, Feierabend sei gegen 20 Uhr gewesen – so schildert ein ehemaliger Häftling seinen Alltag in dem berüchtigten Straflager Yodok im Osten des Landes. Und danach habe für die Gefangenen noch "ideologische Erziehung" auf dem Stundenplan gestanden. Konnte sich jemand nicht an das zuvor Gelernte erinnern, sei er mit Schlaf- und Nahrungsentzug bestraft worden.

Mit Augenzeugenberichten wie diesem prangert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Zustände in nordkoreanischen Straflagern an. Daneben basiert der jüngste AI-Bericht auch auf neuen Satellitenbildern. Demnach sind die Gefängnisse im Vergleich zu Aufnahmen aus dem Jahr 2001 deutlich vergrößert worden. Vor Ort herrschten die schlimmsten Umstände, die Amnesty in den vergangenen 50 Jahren dokumentiert habe, berichtet Sam Zarifi, Asien-Pazifik-Direktor der Organisation, im Interview mit der Deutschen Welle. "Es ist einfach nur grauenhaft. Zehntausende politische Häftlinge werden wie Sklaven gehalten."

Endstation Straflager

Das Logo von Amnesty International
Mit dem jüngsten Bericht will Amnesty International Pjöngjang unter Druck setzen

Viele der Insassen haben nach Angaben von Amnesty International nie einen Prozess bekommen, viele sind auch einfach unschuldig. "Sie sitzen nur ein, weil sie verwandt mit jemandem sind, der ebenfalls inhaftiert ist", klagt Sam Zarifi. 14 Stunden pro Tag müssten die Häftlinge arbeiten und dabei oft völlig sinnlose Tätigkeiten verrichten. Und dazu bekämen sie nur sehr wenig zu essen und würden regelmäßig gefoltert. Realistische Hoffnung auf ein Leben in Freiheit dürfen sich viele der Gefangenen nicht machen. "Tausende politische Häftlinge werden niemals wieder freigelassen. Tatsächlich ist es sogar so, dass selbst Babys von Inhaftierten, die im Arbeitslager geboren werden, ihr gesamtes Leben in Gefangenschaft verbringen müssen."

Im Ausland ist lange bekannt, dass es in dem international abgeschotteten Land derartige Lager gibt. Die Führung in Pjöngjang unter Diktator Kim Jong Il allerdings weist seit Jahrzehnten alle diesbezüglichen Vorwürfe vehement zurück, bestreitet die Existenz derartiger Camps. Doch diese Haltung kann sie nun nicht länger aufrecht erhalten, gibt sich Sam Zarifi optimistisch. "Wir denken, dass die Fakten für sich sprechen und weiteres Leugnen sinnlos ist." Zarifi hofft, dass der von Amnesty International veröffentlichte Bericht Nordkorea dazu zwingen wird, endlich öffentlich Farbe zu bekennen und etwas an den grauenhaften Zuständen zu ändern.

Täglicher Überlebenskampf

Kim Jong Il (Foto: AP)
Diktator Kim Jong Il steht seit 1994 an der Spitze des LandesBild: AP

Für zehntausende Häftlinge käme allerdings schon jetzt jede Hilfe zu spät. Täglich sterben nach Schilderungen von Ex-Häftlingen Insassen der nordkoreanischen Straf-Camps an den Folgen der grausamen Haftbedingungen. Der überlebende Gefangene aus dem Lager Yodok gibt im Bericht von Amnesty International schockierende Zahlen zu Protokoll: Er schätzt, dass allein zwischen 1999 und 2001 vierzig Prozent der Inhaftierten verhungert sind. Die unmenschlichen Lebensumstände führen bei vielen Gefangenen irgendwann unweigerlich dazu, dass sie grundlegende Wertvorstellungen einfach über Bord werfen. "Die Gefangenen bekommen so wenig zu essen, dass sie im Müll nach Nahrung suchen und Jagd auf Ratten machen. Wenn sie dabei erwischt werden, werden sie grausam bestraft", erklärt Sam Zarifi.

Menschlichkeit bleibe vor diesem Hintergrund oft auf der Strecke. So lägen der Organisation Schilderungen von Augenzeugen vor, wonach Gefangene sich über den Tod von Mithäftlingen freuen, "denn für diejenigen, die dann die Leiche beerdigen und die Spuren beseitigen, gibt es eine Extra-Portion Nahrung". Die eigene Reaktion schockiere die Betroffenen allerdings zutiefst. Und trotz der eigenen Not seien die Gefangenen entsetzt über sich selbst. "Immer wieder haben sie betont, dass sie sich nicht mehr wie Menschen fühlen, weil sie den Tod eines Mithäftlings nicht als etwas Schreckliches ansehen können, sondern vielmehr als Gelegenheit, selbst ein bisschen zu profitieren."

Auf ihrer Website hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die nordkoreanische Führung und Machthaber Kim Jong Il jetzt aufgerufen, sämtliche der meist abgelegenen Straflager im Land sofort zu schließen.

Autorin: Esther Felden (mit dpa/afp)
Redaktion: Ana Lehmann