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Aids als Politikum

Mirjam Gehrke / (kas)8. Juli 2002

Die Welt-Aids-Konferenz hat mit harter Kritik an den Regierungen begonnen. Eine Woche lang diskutieren in Barcelona 15.000 Experten aus aller Welt über Möglichkeiten, die Immunschwäche-Krankheit zu bekämpfen.

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Es ist höchste Zeit zu handeln: 40 Millionen HIV-positive und an Aids erkrankte Menschen weltweit haben ein Recht darauf, dass nicht nur die Pharma-Industrie ihre Produkte zu erschwinglichen Preisen anbietet, sondern auch und vor allem, dass die Politik sich um sie kümmert.

Deutliche Kritik an die Adresse der Politik wurde gleich zu Beginn der 14. Welt-Aids-Konferenz in Barcelona geäußert. Der spanische EU-Parlamentarier und Aids-Aktivist José María Mendiluce sprach aus, was viele der Delegierten aus Afrika, Asien und Lateinamerika bereits im Vorfeld der Aids-Konferenz als Schikanen erlebt hatten: die Schwierigkeit, überhaupt Visa für die Anreise zu erhalten.

Medikamente sind Luxus

15.000 Delegierte, Wissenschaftler, Forscher und Ärzte, Vertreter von Nicht-Regierungsorganisationen sowie HIV-Positive, werden eine Woche lang in Barcelona Zeit haben, ihre Forderungen zu formulieren und ihre Visionen darzulegen. Die Hauptthemen zeichnen sich bereits jetzt ab: die Aids-Medikamente müssen für alle bezahlbar sein. Es könne nicht angehen, dass die modernen Medikamente, die in den Industrie-Ländern bereits deutliche Behandlungserfolge gezeigt haben, in Afrika bislang erst an 30.000 Menschen verabreicht wurden. Die Nachfrage in den Ländern südlich der Sahara liegt zehn Mal so hoch.

Es geht aber um mehr als um die Aids-Forschung. José María Mendiluce sieht den Kampf gegen die Epidemie in einem globalen Zusammenhang: "Der Kampf gegen die Armut und die Ausgrenzung ist Teil des Kampfes gegen Aids. Die nachhaltige Entwicklung und ein anderes Modell der internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind die beste Vorsorge für über die Hälfte des Weltbevölkerung. Die Armut ist die schlimmste Epidemie der Welt."

Prävention oder Therapie - 20 Jahre nach Ausbruch der Aids-Epidemie sei es unhaltbar, diese beiden Kriterien gegeneinander ausspielen zu wollen. Der Direktor des Aids-Programms der Vereinten Nationen, Peter Piot, forderte in seiner Eröffnungs-Rede, endlich zu erkennen, dass Prävention und Therapie sich einander ergänzen: Die Lebensqualität der Zukunft hänge von der Lebensqualität von heute ab, so Piot.

Ein globales Problem

8.500 Menschen sterben täglich an den Folgen von Aids. Das sind mehr als Doppelt so viele, wie die Attentate vom 11. September in New York und Washington gefordert haben. Die vom Globalen Aids-Fonds geforderten 10 Milliarden Dollar jährlich für Forschung und Behandlung von Aids sind nur ein Bruchteil der Summe, die die internationale Anti-Terror-Koalition bislang in den Krieg in Afghanistan und verstärkte Sicherheitsmaßnahmen investiert haben.

José María Mendiluce sieht einen Zusammenhang zwischen beiden Themen: "Die Verantwortlichen der internationalen Anti-Terror-Koalition nach dem 11. September müssen sich darüber im Klaren sein, dass es keine Sicherheit ohne Gerechtigkeit geben kann. Genauso wird es keine globale Gesundheit geben ohne den Kampf gegen die Armut und die Ausgrenzung."

Ansatzpunkte

Auf wissenschaftlicher Ebene wird die Diskussion um die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Aids eines der bedeutendsten Themen auf der Welt-Aids-Konferenz sein. Eine Herausforderung für die am stärksten von Aids betroffenen Gesellschaften stellt die Forderung nach einer
Stärkung der Rolle der Frau dar: das Recht auf selbstbestimmten und sicheren Sex ist vielerorts noch lange nicht selbstverständlich.

Für die Industrieländer liegen die Herausforderungen der nächsten Jahre in neuen Aufklärungskampagnen: Die Behandlungserfolge durch die modernen Medikamente haben vielfach zu einer gefährlichen Sorglosigkeit geführt. Aids ist immer noch nicht heilbar. Diese wissenschaftliche Realität muss endlich in eine verantwortliche Politik umgesetzt werden, so die Botschaft aus Barcelona.