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Aids bedroht Südafrikas Zukunft

Stefanie Duckstein7. Juni 2005

"Take Action": 4000 Delegierte wollen bei der Südafrika-Aids-Konferenz neue Wege einschlagen. Kein leichtes Unterfangen: Aids ist Todesursache Nummer eins in Südafrika, und die offizielle Politik ist unverantwortlich.

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Aids-Patientin in SüdafrikaBild: AP

UN-Generalsekretär Kofi Annan ist unermüdlich in seinem Bemühen, die internationale Staatengemeinschaft zu noch mehr Engagement im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids aufzufordern. Auf der UN-Aids-Konferenz am vergangenen Donnerstag (2.6.05) ermahnte Annan die 123 Delegierten, alle Energien in die Bekämpfung der Krankheit zu stecken.

Der Appell ist berechtigt und bitter nötig - insbesondere für die Republik Südafrika. Aids ist hier Todesursache Nummer eins. Dies die traurige Bilanz des regierungsunabhängigen Medical Research Council. Der Bericht wurde im Mai veröffentlicht: 5,6 Millionen Südafrikaner tragen den HIV-Virus in sich. Damit sind 12,4 Prozent der Gesamtbevölkerung infiziert.

Mehrere tausend Experten wollen deshalb vom 7. bis 10. Juni 2005 im südafrikanischen Durban beraten, wie die Situation verändert und verbessert werden kann.

Fehlendes Problembewusstsein

Thabo Mbekis
Der südafrikanische Präsident Thabo MbekisBild: AP

Die südafrikanische Regierung leugnet das Problem Aids noch immer. Unverändert ist zum Beispiel die Haltung des südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki, das eigentliche Problem Südafrikas sei Armut: "Der größte Feind der Menschheit, der größte Killer weltweit ist nicht Aids, sondern Armut."

Das südafrikanische Amt für Statistik teilte Anfang 2005 mit, die meisten Südafrikaner stürben an Tuberkulose. In einem Nebensatz gab man zu, dies könne mit Aids in Verbindung gebracht werden. Aussagen, die die Betroffenen immer wieder vor den Kopf stoßen.

So ist auch Thabiso Motsusi, selber HIV-positiv, ernüchtert von der Position seiner Regierung: "Die südafrikanische Regierung könnte im Kampf gegen Aids wirklich ein Vorbild sein. Aber aus diversen politischen Interessen werden die tatsächlichen Umstände nie offen ausgesprochen. Zum Beispiel gab es kürzlich diese Diskussion um den Einsatz antiretroviraler Medikamente. Ich bin HIV-positiv und bekomme seit vier Jahren diese Medikamente. Ich weiß, was es an Lebensverbesserung bedeutet für Menschen mit Aids. Deshalb war ich schockiert über dieses seltsame Argument von unserem Präsidenten, währenddessen Menschen sterben."

Unmenschlicher Sonderweg

Für die Betroffenen ist der Blick auf die Sache klar, doch angesichts der widersprüchlichen Bekundungen seitens der Regierung nicht selbstverständlich. Die Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang hat erst kürzlich die Wirksamkeit von antiretroviralen Medikamenten in Frage gestellt. Die Präparate schadeten mehr als sie nützten. Für Aids-Aktivisten und ausländische Beobachter unverständlich.

Stefan Cramer von der Heinrich-Böll-Stiftung in Johannesburg lebt seit zehn Jahren in Südafrika. Die Auswirkungen der Krankheit erfährt auch er im engsten Bekanntenkreis und ist daher umso mehr erschüttert über die ignorante Haltung der Gesundheitsministerin: "Die halte ich für unverantwortlich, weil sie sowohl beim medizinischen Personal als auch bei Betroffenen große Verunsicherung auslöst. Natürlich, wie jedes Medikament, haben auch die schweren antiretroviralen Mittel Nebenwirkungen. Aber wir haben internationale und auch nationale Studien, die zeigen, mit welchen langfristigen Lebensverbesserungen die medikamentöse Behandlung einhergeht. Von daher ist die erneute Infragestellung eigentlich ein Skandal."

Nur durch öffentlichen Druck und einen richterlichen Beschluss konnte die Regierung bewogen werden, den Einsatz antiretroviraler Medikamente zu unterstützen: "Nach meiner Beobachtung verhält sich die Regierung

immer noch sehr ambivalent. Sie vertritt weiterhin die These, dass HIV und Aids eine Verschwörung der westlichen pharmazeutischen Industrie ist, um Geld aus Afrika heraus zu pressen."

Hilfe von außen

Was die südafrikanische Regierung mit ihrer zögerlichen und uneindeutigen Haltung versäumt, haben seit längerem nichtstaatliche Organisationen und private Unternehmen übernommen. Etwa die südafrikanische BMW-Tochter. Der Konzern unterhält ein medizinisches Team, das Aufklärung, Therapie und ein Gesundheitszentrum betreibt - und das mit großem Erfolg für alle Beteiligten.

Die Heinrich-Böll-Stiftung fördert seit Jahren die Gleichberechtigung von Frauen im südlichen Afrika. Denn, so meint Stefan Cramer, besonders vor dem Hintergrund von HIV und Aids müssten Vorstellungen von Sexualität, Verhütung und Männlichkeitsbildern neu diskutiert werden: "Sehr häufig ist erzwungener Sex unter jungen Menschen aber auch unter Älteren im häuslichen Bereich die Hauptursache für die starke Ausbreitung. Daher scheint es uns als Stiftung besonders wichtig, an diesem Thema, nämlich der Organisation der Geschlechterverhältnisse zu arbeiten. Erst wenn Frauen wirklich nein sagen können, dann haben wir eine Chance, die weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Wir halten das für die wichtigste Form der Prävention."

Prävention und Aufklärung - aus dem Munde von Prominenten haben diese Worte bekanntlich eine noch stärkere Wirkung. Nelson Mandela wird für seine offenen Worte - was Aids angeht - geschätzt. Im Januar 2005 starb sein ältester Sohn: Todesursache: Aids. "Wir dürfen die Ursache für das Sterben unserer Familienmitglieder nicht länger verschweigen. Nur so werden alle begreifen, dass HIV bei uns inzwischen zu einer alltäglichen Krankheit geworden ist."