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Aids-Brennpunkt Osteuropa

Rolf Wenkel20. Juli 2003

Vor 20 Jahren wurde der HIV-Virus entdeckt. Doch es gibt noch immer kein Gegenmittel gegen die Immunschwächekrankheit. Eine neue Studie warnt vor alarmierenden Infektionsraten in Osteuropa.

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Aids in der UkraineBild: AP

Als größter Seuchenherd gilt nach wie vor der afrikanische Kontinent. Doch eine neue Studie der Weltbank warnt davor, dass auch in den Ländern Südosteuropas und Zentralasiens die Infektionsraten rasant in die Höhe schnellen. Die neue Studie der Weltbank mit dem Titel "HIV/Aids in Südosteuropa" fordert insbesondere die Balkanstaaten zu sofortigen Präventionsmaßnahmen gegen Aids auf.

Immer mehr Infizierte in Osteuropa

Fallstudien aus Bulgarien, Kroatien und Rumänien hätten gezeigt, dass diese Region zurzeit die weltweit höchsten Zuwachsraten bei HIV-Infektionen aufweist. Allein im Jahr 2002 soll es nach Schätzungen der Weltbank zu 250.000 neuen Infektionen gekommen sein. Womit sich die Zahl der Menschen, die in dieser Region mit einer HIV-Infektion leben müssen, auf 1,2 Millionen Menschen erhöht hat.

Denkmal für AIDS-Opfer in der Ukraine
Denkmal für AIDS-Opfer in der UkraineBild: AP

Dr. Ulrich Heide vom Vorstand der Deutschen AIDS-Stiftung glaubt, dass zahlreiche Regierungen in Osteuropa das Problem lange Zeit nicht wirklich ernst genommen haben. Also nicht zu einem Zeitpunkt auf Aufklärung, auf Information, auf Prävention gesetzt haben, wo es noch sehr leicht möglich gewesen wäre.

Epidemien rechtzeitig öffentlich machen

Auch die Weltbank-Studie empfiehlt den Politikern dieser Region, die Gefahren einer Aids-Epidemie in einem möglichst frühen Stadium öffentlich zu machen. Entscheidend seien nicht so sehr die absoluten Zahlen der Erkrankungen, sondern deren Zuwachsraten. Die Studie bezeichnet die Russische Föderation und die Ukraine als die Länder mit den meisten Infektionen. Aber auch in zahlreichen anderen Ländern der Region seien die Zuwachsraten inzwischen alarmierend.

"Ohne effektive Präventionsmaßnahmen wird sich die Sterblichkeitsrate in den nächsten zehn Jahren in dieser Region signifikant erhöhen", heißt es in der Studie. Dies werde die Gesundheitssysteme in diesen Ländern vor gewaltige Probleme stellen.

"So was gibt es bei uns nicht!"

In Westeuropa dagegen sind die Infektionsraten niedriger geblieben, als es die Experten vorausgesagt haben. Dr. Ulrich Heyde hat dafür eine Erklärung: "Wir haben in Deutschland und in West- und Nordeuropa sehr früh nach Bekanntwerden der Infektionswege auf diese Gefahren reagiert und über diese Gefahren informiert. Das ist auch der Grund, weshalb in West- und Nordeuropa wesentlich niedrigere Infektionsraten zu beobachten sind als in Süd- oder Osteuropa." Und in Osteuropa habe zudem für viele Jahre die Regel "so etwas gibt es bei uns nicht" gegolten.

Die Weltbank-Studie, die insbesondere Bulgarien, Kroatien und Rumänien untersucht hat, nennt für alle diese Länder ähnliche Faktoren, die die Ausbreitung von Aids begünstigen: Hohe Arbeitslosigkeit, verbreitete Armut, hohe Mobilität der Bevölkerung, rapide soziale Veränderungen, vernachlässigte Gesundheits- und Bildungssysteme, steigender Drogenkonsum und zunehmende Prostitution.

HIV infizierte menschliche T-Zelle
HIV-infizierte menschliche T-ZelleBild: AP

HIV überfordert Gesundheitssysteme

Zwar habe die Bevölkerung in allen diesen Ländern den gesetzlich garantierten Zugang zu medizinischer Behandlung, doch könnten die Gesundheitssysteme sehr schnell überfordert werden, wenn sich die Seuche im gleichen Tempo wie bisher ausbreite. Das habe letztendlich auch Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme, auf die Wirtschaft und auf das "Humankapital" dieser Länder. Die Weltbank rät der Politik in diesen Ländern deshalb zu sofortigen Informations- und Aufklärungskampagnen und bietet den lokalen Behörden ihre Zusammenarbeit an.