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Aktionsplan ohne Beitrittsperspektive: Europa sollte die Ukraine nicht ignorieren

24. Februar 2005

Die EU will sich für den WTO-Beitritt der Ukraine einsetzen, die Kooperation soll ausgebaut werden. Doch der "Aktionsplan" bietet keine Beitrittsperpektive. Das Zögern der EU kann die ukrainischen Reformen behindern.

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Die Reformkräfte brauchen Unterstützung von außen

Es hat sich nicht viel verändert im Verhältnis zwischen der Europäischen Union und der Ukraine - obwohl das nach dem euphorischen Umschwung in Orange versprochen wurde: Ukrainische Politiker fordern, EU-Politiker wiegeln ab. Eine Beitritts-Perspektive für den östlichen Nachbarn ist für die EU weiter kein Thema, sie wird auf die lange Bank geschoben. Die Ukraine soll als "privilegierter Partner" ruhig gestellt werden. Nur keine weitere Diskussion wie im Falle der Türkei auslösen, scheint die Intention zu sein.

Russland soll nicht brüskiert werden

Die EU habe nach der Ost-Erweiterung genug mit sich selbst zu tun. Zudem soll Russland, das die Ukraine noch immer als seine Einfluss-Sphäre betrachtet, als Partner nicht allzu sehr brüskiert werden. So entsteht der Eindruck: Oberstes Gebot ist, Ruhe an der östlichen Flanke der Staatenunion zu schaffen. Verbunden mit der Hoffnung, dass das Land im Westen wieder in Vergessenheit geraten wird.

Demokratieverständnis steckt in Kinderschuhen

Offiziell heißt es in Brüssel, die Ukraine solle erst einmal ihre Reformfähigkeit unter Beweis stellen. Sicher, bisher gibt es keine Garantie, dass Viktor Juschtschenko und Regierungschefin Julia Timoschenko - das Paar, dass die orange Revolution vorantrieb - auch wirklich ernst machen. Und dass sie nicht auf halbem Wege scheitern.

Denn die Probleme sind riesig, das Aufräumen beginnt jetzt erst: Demokratieverständnis und politische Kultur stecken in den Kinderschuhen. Korruption und Schattenwirtschaft bestimmen große Teile der Wirtschaftswelt. Auch im Alltag geht es oft nur mit kleinen Gefälligkeiten. Um auch im Westen wettbewerbfähig zu werden, muss die Industrie modernisiert, die Infrastruktur verbessert werden. Jahrelang haben die Oligarchen nur von der Substanz gelebt, ihr Geld ins Ausland geschafft, in Häuser oder Fußballclubs gesteckt, aber nicht in die Zukunft ihrer Unternehmen.

Es ist ein weiter Weg. Und es wird mehrere Jahrzehnte dauern, bis sich die Lebensverhältnisse, vor allem auf dem Land, westlichen Standards angenähert haben, bis Gesetze angepasst sind und die Wirtschaft dem europäischen Markt gewachsen ist. Das ist auch dem ukrainischen Präsidenten klar.

Reformkräfte denken europäisch

Niemand verlangt schon übermorgen einen Beitritt zum Klub der 25. Es geht um eine Perspektive, die den Reformprozess im Land von außen unterstützt. Allein den Umschwung zu schaffen, wird für die Ukraine sehr schwierig. Jetzt ist aber eine historische Chance da. Denn die Hoffnungen der Ukrainer in diesen Tagen, endlich zu "Europa" zu gehören, waren nie größer. Und nie war die Bereitschaft höher, wirkliche Veränderungen anzugehen. Dass sie europäisch denken, haben die Menschen bei ihrer friedlich-fröhlichen orange Revolution bewiesen.

Zwischen den Stühlen

Doch diese Euphorie wird verfliegen, die Widerstände werden wachsen, je zäher der Prozess der Umstrukturierung wird. Eine klare Aussage des westlichen Partners - so er einer sein will - würde helfen, dass das Land auf seinem Weg das Ziel nicht aus den Augen verliert. Denn die Ukraine sitzt noch immer zwischen den Stühlen - auf der einen Seite Russland, auf der anderen Europa.

Medienwirksame Treffen reichen nicht

Mit einer zögerlichen Haltung besteht die Gefahr, dass die Chance auf westliche Demokratie und Wirtschaftentwicklung vertan wird. Die orange Revolution kann noch immer zurückgedreht werden. Denn die Reformkräfte, die jetzt den Umschwung schafften, sind alles andere als homogen.

Wenn man also der Türkei die Tür zur EU aufgemacht und Länder wie Rumänien oder Bulgarien mit einer nur wenig höheren Wirtschaftsleistung demnächst für beitrittsfähig erklärt, kann die Ukraine nicht ignoriert werden - nur weil sie den Weg einige Jahre später beschreitet. Den ukrainischen Präsidenten medienwirksam in EU-Gremien zu laden, weil orange gerade "in" ist, ihn sonst aber abblitzen zu lassen, kommt da blankem Zynismus gleich.

Christiane Hoffmann

DW-RADIO, 22.2 2005, Fokus Ost-Südost