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Akustisch bunte Blumen

29. Juli 2011

Nachts sind alle Blüten grau. Wie also kann eine Pflanze nachtaktive Bestäuber anlocken – nämlich Fledermäuse? Eine Regenwaldpflanze in Kuba hat eine Lösung gefunden: Blätter, die aussehen wie Satellitenschüsseln!

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Eine Fledermaus fliegt auf eine Pflanze zu und stößt Ultraschallwellen aus. Ein Blatt der Pflanze wirft die Wellen zurück (Foto: Ralph Mangelsdorff / Ralph Simon)
Blätter wie SatellitenschüsselnBild: Ralph Mangelsdorff/Ralph Simon

Bienen anzulocken ist fast ein Kinderspiel: Ein paar knallbunte Blüten – schon kommen die Insekten in Scharen und kümmern sich um die Bestäubung. Die Pflanze Marcgravia evenia im kubanischen Regenwald hat es da schwerer: Sie muss Fledermäuse auf sich aufmerksam machen, die nachts auf Wanderschaft gehen. Die Tiere orientieren sich nicht mit den Augen, sondern über Echoortung: Sie senden Ultraschallwellen aus und hören genau hin, welches Echo die Umgebung zurückwirft. Um Fledermäuse heranzuwinken, muss Marcgravia evenia besonders gut hörbare Ultraschallsignale zurücksenden, sich quasi akustisch herausputzen. Das schafft sie mit konkaven, halbkugelartig gestalteten Blättern.

Gleichmäßige Antwort

Marcgravia evenia: Eine Pflanze mit rot-weißen Blüten und einem halbkugelförmigen Blatt darüber (Foto: Ralph Mangelsdorff / Ralph Simon)
Die kubanische Regenwaldpflanze Marcgravia eveniaBild: Ralph Mangelsdorff/Ralph Simon

Halbkugeln sind für Fledermäuse im Dunkeln besonders gut zu erkennen, hat der Biologe Ralph Simon von der Universität Ulm herausgefunden. "Deshalb staunten wir nicht schlecht, als wir in Kuba diese Pflanze fanden, die kugelig geformte, große Blätter über ihren Blüten präsentiert", berichtet er. "Nachts konnten wir dann Fledermäuse an diesen Blüten beobachten, die nach der großen Nektarmenge ganz verrückt waren."

Der Wissenschaftler hat im Labor die Schallreflexion der schüsselartigen Blätter von Marcgravia evenia vermessen - und tatsächlich: Zum einen ist das Echo lauter, vor allem aber bleibt es auch dann gleich, wenn die Fledermaus ihre Position ändert. Normale, flache Blätter, welche die Regenwaldpflanze an anderer Stelle ebenfalls besitzt, werfen hingegen nur dann ein gut hörbares Echo zurück, wenn der Schall aus einem ganz bestimmten Winkel auf die Pflanze fällt. Bewegt sich das Tier wenige Grad weiter nach rechts oder links, verklingt die Antwort sofort. Die halbkugelartigen Blätter erhalten durch ihre Form also "eine andere Klangfarbe als die umgebende Vegetation und dadurch werden die Blüten auffällig", fasst Simon zusammen.

Forscher im kubanischen Regenwald (Foto: Ralph Simon)
Forscher Ralph Simon im kubanischen RegenwaldBild: Ralph Simon

Alle profitieren

Dass der Trick funktioniert, konnten Ralph Simon und seine Kollegen im Labor nachvollziehen: Fledermäuse fanden einen Futterspender vor dichtem Laubhintergrund doppelt so schnell, wenn direkt darüber ein schüsselartiges Blatt von Marcgravia evenia angebracht war. Innerhalb von durchschnittlich 12 Sekunden war die Fledermaus am Ziel angelangt, während sie ohne halbkugeligen Lotsen 23 Sekunden brauchte. War der Futterspender mit einem flachen, gewöhnlichen Blatt versehen, dauerte die Suche mit 22 Sekunden beinahe genauso lang.

"Der Echogeber bringt beiden Partnern Vorteile", schreiben die Forscher im Fachblatt Science: Die Fledermaus finde ihr Futter schneller und Marcgravia evenia erhöhe drastisch ihre Chance, sich zu vermehren. Die Pflanze ist nämlich recht selten und braucht Bestäuber, die schnell fliegen und daher weit herumkommen. Eine Fledermaus ist da ideal!

Autorin: Brigitte Osterath
Redaktion: Fabian Schmidt