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Albanien: "Der Glaube war immer lebendig"

Angelina Verbica21. September 2014

Seine erste europäische Auslandsreise führt Papst Franziskus an diesem Sonntag nach Albanien. Was den Pontifex in dem südosteuropäischen Land erwartet, sagt Kirchen-Experte Erich Leitenberger im DW-Interview.

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Shkodra Kirche und Moschee in Albanien (Foto: DW)
Bild: DW

Franziskus gilt als Papst, der an die Ränder der Welt und der Gesellschaft geht. Unkonventionelle Gesten sind seine Spezialität. Eineinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt führt ihn nun seine erste Auslandsreise innerhalb Europas nach Albanien. Drei Millionen Menschen leben dort. Knapp ein Fünftel der Bevölkerung ist christlich, die Mehrheit sind Muslime. Für Franziskus ist es, wie er unlängst bekannte, ein Besuch mit hohem Symbolwert: "Mit dieser kurzen Reise möchte ich die Kirche Albaniens im Glauben bestärken und meine Ermutigung und Liebe für ein Land bezeugen, das in Folge der Ideologien der Vergangenheit lange gelitten hat", sagte der katholische Pontifex noch vor wenigen Monaten.

Prof. Erich Leitenberger ist Sprecher der Stiftung Pro Oriente, einer österreichischen Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, die sich für die Verständigung zwischen römisch-katholischer Kirche und der orthodoxen Kirche einsetzt. Im DW-Interview erhellt er die Hintergründe des Papst-Besuches in Albanien:

DW: Der Papst besucht Albanien. Was lässt ihn einem so kleinen Land, am Rande des Westens, seinen ersten Besuch abstatten?

Erich Leitenberger: Es gibt mehrere Motive. Zum einen ist Albanien ein Land zwischen West und Ost - auch in religiöser Hinsicht. Es gibt in diesem Land viele Katholiken, aber auch viele orthodoxe Christen und auch viele Muslime und Angehörige der Bektashi (ein dem Sufismus nahestehender Orden / Anm.d.R.). Darüber hinaus aber ist Albanien jenes Land in Europa, in dem das staats-atheistische Vorgehen des Kommunismus vielleicht am allerdeutlichsten war, weil dort 1967 während des Regimes von Enver Hoxha jegliche religiöse Betätigung verboten wurde und das gesamte institutionelle Gerüst aller Religionsgemeinschaften zerstört wurde. Was nicht zerstört werden konnte, ist der lebendige Glaube in den Herzen der Menschen. Nach dem Ende des Kommunismus ist dieser Glaube in Albanien sehr deutlich wieder sichtbar geworden. Man sieht es auch an den vielen Kirchen, die restauriert oder sogar neu gebaut worden sind. Ich denke sowohl an die katholische als auch an die orthodoxe Kathedrale in der Hauptstadt Tirana und an viele andere Kirchen.

Erich Leitenberger (Foto: privat)
Erich Leitenberger spricht für die Stiftung Pro Oriente in ÖsterreichBild: Erich Leitenberger

Daneben gibt es noch einen Aspekt, durch den diese Reise des Papstes nach Albanien besonders interessant ist. Albanien ist das Land am Mittelmeer, dem es vielleicht am besten gelungen ist, ein friedliches - vielfach auch freundschaftliches - Miteinander der Religionsgemeinschaften, vor allem von Christentum und Islam, zu erzielen. Das hängt mit der albanischen Geschichte zusammen und auch damit, dass in albanischen Familien oft beide Religionen zu finden sind, dass es gemischte Ehen gibt, dass es etwas gibt, was in einem islamisch mitgeprägten Umfeld sehr selten ist. Es kommt oft vor, dass sich jemand mit einem muslimischen Familienhintergrund Christus zuwendet und sich taufen lässt als katholischer und orthodoxer Christ.

In einer Zeit mit großen Unruhen in Teilen der Welt möchte der Papst das Beispiel Albaniens hervorheben. Wird es Botschaften diesbezüglich geben?

Ich glaube, man wird mit großem Interesse die Reden des Heiligen Vaters in Tirana hören müssen. Vor allem bei der Begegnung mit den Repräsentanten der verschiedenen Religionsgemeinschaften wird Papst Franziskus sicher auch einige Schwerpunkte setzen in Bezug auf die albanische Realität, albanische Tradition, die albanische Geschichte, wie das Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeit heute gestaltet werden kann und gestaltet werden soll. Gerade weil an einigen Orten der Welt plötzlich gegenüber Personen, die eine andere Religion haben, ein erbarmungsloser Terror ausgeübt wird. Hier ist Albanien ein sehr schönes Gegenbild. Hier kann Albanien der Gemeinschaft der Nationen etwas geben. Man kann hier in dieser Hinsicht von Albanien durchaus lernen.

Albanien ist ein Gegenentwurf zu den grauenhaften Bildern von Unterdrückung, die wir zum Beispiel aus Syrien und Irak hören und sehen, wo Menschen nur deswegen von fanatischen Islamisten ermordet und bedrängt werden, weil sie gläubige Christen sind.

Papst Franziskus (Foto: Getty Images)
Papst FranziskusBild: Getty Images

Die Sicherheit des Papstes ist ein großes Thema, weil er im offenen Wagen gefahren werden will. Die italienische Presse hat den Botschafter Iraks im Vatikan zitiert, der sich "große Sorgen um die Sicherheit des Lebens des Papstes" macht. Viele Albaner kämpfen für den IS in Syrien und Irak. Gibt es Gründe zur Sorge?

Es gibt sicher - wie überall, nicht nur in Albanien und im Kosovo, sondern auch in vielen europäischen Ländern - leider junge Leute, die sich von den Wahnvorstellungen der Islamisten haben betören lassen und in diese unwahrscheinlichen Aggressionen einbeziehen lassen, die die Islamisten vor allem in Syrien und im Irak begehen. Aber ich glaube, man sollte die Sicherheit des Heiligen Vaters mit Gelassenheit sehen, wie auch Pater Lombardi, Pressesprecher des Heiligen Stuhls, bei der Vorstellung des detaillierten Reiseprogramms an den Tag gelegt hat. Papst Franziskus wird sich von allen Gerüchten und Vermutungen in keiner Weise beeindrucken lassen. Er wird als der Herold Christi in Tirana in Erscheinung treten und er wird einfach den Menschen dieses Landes die gute Nachricht des Evangeliums nahebringen.

Die Boulevardpresse in Albanien zeigt Bilder der katholischen Märtyrer aus der kommunistischen Zeit. Die katholische Kirche war in der Hoxha-Diktatur einer immensen Verfolgung ausgesetzt. Was bedeutet es für die Kirche und für die albanische Gesellschaft, dass der Papst diese Opfer heute ehrt?

Ich glaube, Märtyrer sind immer die deutlichsten Zeugen des Evangeliums. Wir waren in Shkodra tief beeindruckt von den Bildern der Märtyrer, die man dort in der Franziskanerkirche sieht. Und die Geschichten, die wir zum Teil auch von Augen- und Ohrenzeugen gehört haben über das Martyrium von Ordensleuten, von Priestern, von Laien, von Frauen und Männern, die wegen ihrer Glaubensüberzeugung, weil sie Christus nicht verleugnen wollten, von den Kommunisten ermordet worden sind. Dieses Martyrium strahlt auch in die heutige Gegenwart aus und fasziniert gerade auch die jungen Menschen und das ist auch eine Botschaft, die Papst Franziskus von dieser Begegnung mit dem albanischen Volk in die Weltkirche hinaustragen wird.

Das ist der zweite Besuch eines Papstes in Albanien. Johannes Paul II war im April 1993 da, als die Religionsfreiheit nach langen Jahren des staatlichen Atheismus wieder möglich wurde. Kann man sagen, dass der Papst Franziskus jetzt in Albanien eine völlig wiederaufgebaute Kirche vorfindet?

Das Interessante ist, dass trotz der totalen Zerstörung aller äußeren Strukturen der Kirche durch das kommunistische Regime der Wiederaufbau der Kirche relativ rasch vorangegangen ist. Das hängt wahrscheinlich doch sehr stark damit zusammen, dass in den Herzen der Menschen der Glaube nie erloschen war. Nach außen konnte man ihn nicht sehr deutlich zeigen, aber er ist nicht erloschen, das ist der eine Aspekt. Vielleicht hat es auch in Albanien, stärker als in vielen anderen postkommunistischen Gesellschaften, auch einen solidarischen Beitrag anderer Ortskirchen gegeben. Ich denke insbesondere an die Ortskirchen aus Italien, von wo sehr viele Priester und Ordensleute nach Albanien gekommen sind. Heute sehen wir in Albanien viele interessante Früchte des Wiederaufbaus. Ich habe selbst vor einigen Wochen mit Journalisten aus Österreich Albanien besucht und wir waren sehr beeindruckt - sowohl in Tirana als auch in Shkodra - über die Präsenz der Kirche und auch über die gesellschaftlichen Aktivitäten der Katholiken, über den spirituellen Wiederaufbau und über das Bemühen der Menschen, unter sehr schwierigen materiellen und gesellschaftlichen Bedingungen ihren Glauben im Alltag zu leben.

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Die Stiftung PRO ORIENTE wurde vom österreichischen Kardinal Franz König während des Zweiten Vatikanischen Konzils am 4. November 1964 in Wien begründet. PRO ORIENTE arbeitet seither auf wissenschaftlicher Ebene und durch "Reisediplomatie" an der Überwindung der Spaltung zwischen Römisch-Katholischer Kirche und Orthodoxen bzw. Orientalisch-Orthodoxen Kirchen.