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Albanien: Streit um Restitutionsgesetz

20. Juli 2006

Die demokratische Partei Albaniens hat gegen die Stimmen des kleineren Koalitionspartners, der Republikanischen Partei, ein Restitutionsgesetz im Parlament verabschiedet. Koalitionspartner und Opposition protestieren.

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Umstrittene Gesetzesregelungen in TiranaBild: AP

Die Mehrheit der Demokraten für das Restitutionsgesetz war knapp: nur 75 der 140 Parlamentsabgeordneten sprachen sich für das umstrittene Gesetz aus. Die oppositionelle Sozialistische Partei verließ nach der Abstimmung unter Protest den Parlamentssaal. Oppositionspolitiker begründeten diesen Schritt damit, dass die Verabschiedung solch fundamentaler Gesetzgebung auf einem breiten politischen Konsens beruhen sollte.

Umstrittene Regelungen

Die Hauptkritik der Republikaner besteht darin, dass das verabschiedete Gesetz eine Regelung aufrechterhält, die besagt, dass "das Land jenen gehört, die es bearbeiten." Diese Gesetzesregelung hatte die erste postkommunistische Regierung unter der Demokratischen Partei 1992 verabschiedet, parallel mit einer Landreform, in der die Güter der sozialistischen Großbetriebe parzelliert und an Bauern verteilt wurden. Das Ziel war seinerzeit, Rechtssicherheit für Landarbeiter zu schaffen und die Agrarproduktion anzukurbeln. Albanien litt in der Zeit des Umbruchs von 1991 bis 1992 unter einer Hungersnot, deren Ursache der Zusammenbruch der staatlichen Großbetriebe war. Das Land lag brach und die Regierung erreichte durch die Landreform, dass es wieder bewirtschaftet wurde, wenn auch weitgehend subsistenzwirtschaftlich. Diese Regelung stieß bereits damals auf den erbitterten Widerstand der vorkommunistischen Landbesitzer, die verlangten, dass auch Großgrundbesitz zurückgegeben werden müsse.

Großgrundbesitzer benachteiligt

Nach der jetzt verabschiedeten Regelung können die ehemaligen Grundbesitzer ihr Eigentum nur bis zu einer maximalen Grundfläche von 100 Hektar zurückerhalten. Premierminister Sali Berisha begründet dieses Gesetz unter Berufung auf die politische Ausrichtung seiner Partei: "Wir sind eine Mitte-Rechts-Partei. Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass die Agrarreform eine Basisreform hin zu einem kapitalistischen System ist, und damit auch die Trennung von einem Großgrundbesitzsystem."

Neues Gesetz verfassungswidrig?

Die Republikaner halten das Gesetz für verfassungswidrig. Die Verfassung Albaniens garantiert das Eigentum ohne Einschränkung. Der Vorsitzende der Republikanischen Partei und Verteidigungsminister Fatmir Meidiu betonte: "Unter Berücksichtigung, dass die Verfassung das Eigentum schützt, ein Prinzip, welches auch durch die europäische Menschenrechtskonvention bestätigt ist, kann es keine Beschränkung des Eigentumsrechts geben, sondern nur im Falle eines höheren öffentlichen Interesses oder in besonders ausgewiesenen Ausnahmefällen. Daher hat die Fraktion der Republikaner gegen dieses Gesetz gestimmt."

Republikaner wollen klagen

Der albanische Premierminister Berisha hat die Forderung der Republikaner auf eine uneingeschränkte Rückgabe des Landes als "extrem" bezeichnet. Aber auch innerhalb der Demokratischen Fraktion gab es Meinungsverschiedenheiten zum Gesetzentwurf. Fraktionsmitglied Spartak Ngjela, der in der Vergangenheit eine kleine monarchistische Partei geführt hatte, stimmte ebenfalls gegen den Gesetzentwurf. Die Organisationen der ehemaligen Grundbesitzer haben Proteste gegen das Gesetz angekündigt und erwägen, vor dem Verfassungsgericht und notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Klage einzureichen.

Ani Ruci, Tirana
DW-RADIO/Albanisch, 19.7.2006, Fokus Ost-Südost