1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Albanien versinkt im Müll

Johan von Mirbach 13. August 2013

Wilde Müllkippen bestimmen die Landschaft in Albanien. Das Land importiert sogar getrennten Müll und Schrott - angeblich zum Recycling. Nun reicht es Umweltschützern und Opposition: Sie schlagen Alarm.

https://p.dw.com/p/19MRF
Müllkippe bei Shkodra im Norden Albanien (DW / von Mirbach)
Bild: DW/J. von Mirbach

Müllhalden in Senken und an Flussufern sind überall zu sehen - ob am Rande der Hauptstadt Tirana, in der Hafenstadt Durres oder im Norden des Landes, in Shkodra. Nicht nur private Umweltsünder laden dort ihren Müll ab, auch Kommunen verfahren nicht anders. So gibt es in der Hafenstadt Durres überhaupt keine reguläre Deponie. Der Müll der mehr als 200.000 Einwohner landet auf angrenzenden Feldern. Schweine und Ziegen wühlen in den Müllbergen und suchen nach Essbarem. Regenfälle spülen Schadstoffe über Bäche und Flüsse ins Meer. Roma-Familien betreiben rudimentäres Recycling auf der Deponie, sie suchen nach Plastik, Papier, Altmetall und weiteren verwertbaren Materialien. Um an begehrte Metalle zu kommen, brennen sie den Müll einfach ab. Schadstoffe gelangen so in Luft und Wasser und verpesten die Umwelt.

Schweine suchen nach Nahrung auf einer Müllkippe in der Nähe von Durres in Albanien (Foto: DW / von Mirbach)
Nutztiere finden ihre Nahrung auf der Müllkippe in der Nähe von DurresBild: DW/J. von Mirbach

Lavdosh Ferruni ist einer der wenigen Umweltaktivisten in Albanien. Er beklagt schon lange die vielen illegalen Müllkippen im Land. Doch passiert sei bis jetzt wenig. "In den letzten 23 Jahren explodierte der Konsum in Albanien", erzählt er. "Die Infrastruktur hat nicht Schritt gehalten. Wir produzieren weitaus mehr Müll, als wir entsorgen können."

Umweltschützer schlagen Alarm

Verwaltung und Politik bemühen sich darum, überhaupt Grundlagen für eine Entsorgung zu schaffen. Im ganzen Land gibt es nur zwei den EU-Regeln entsprechende Deponien: eine in der Hauptstadt Tirana und eine im Norden des Landes, in Bushat.

Albaniens Müll entsteht nicht nur im Land selbst. Im Jahr 2011 wurden nach Angaben des albanischen Umweltministeriums etwa 300.000 Tonnen Metallschrott und 20.000 Tonnen getrenntes Plastik zur Weiterverarbeitung importiert - vor allem aus Italien. Das entspricht in etwa der jährlichen Müllmenge von Tirana. Der albanische Zoll überprüft die Lieferungen nur stichprobenartig. Umweltschützer wie Lavdosh Ferruni laufen deswegen Sturm: Sie befürchten, dass mit dem legalen Müll auch illegal Giftmüll - besonders aus Süditalien - importiert wird. Beweise haben sie nicht, doch die Gerüchteküche brodelt im Land. Der stellvertretende Umweltminister Taulant Bino wiegelt im Interview ab, die Umweltschützer würden übertreiben, doch er räumt ein, dass es beim Zoll Probleme mit einzelnen Mitarbeitern gebe. Weder der Zoll noch das Umweltministerium könnten garantieren, dass kein Giftmüll illegal importiert werde, so Bino.

Der Umweltschützer Lavdosh Ferruni (rechts) im Gespräch mit einer Anwohnerin in Tirana (Foto: DW / von Mirbach)
Umweltschützer Ferruni (rechts) im Gespräch mit Anwohnern in TiranaBild: DW/J. von Mirbach

Die landesinternen Schwierigkeiten im Umgang mit Müll und dessen Entsorgung bekam auch der Deutsche Wolfgang Krause zu spüren. Er war bis vor zwei Jahren Manager einer Deponie in Nordalbanien. Im Auftrag der deutschen Entsorgungsfirma Becker baute er die Deponie aus und errichtete Recyclinganlagen. Insgesamt investierte er im Namen der Firma eine halbe Million Euro. Mit Kommunen der Region schloss er Verträge ab: Sie liefern den Müll ihrer Gemeinde und zahlen für die Entsorgung sieben Euro pro Tonne Müll. Krause wollte den angelieferten Müll trennen, Plastik verwerten und an Geschäftspartner für 60 Euro pro Tonne weiterverkaufen. Aus den erzielten Einnahmen wollte er die Deponie finanzieren.

Müllimporte per Referendum stoppen

Doch der Plan ging nicht auf: Denn was fehlte, war der Müll. Die Deponie ist nahezu leer. Nur acht Prozent der errechneten Menge wurden geliefert. Wegen der gescheiterten Investitionen verlor Wolfgang Krause seine Anstellung. Dabei erzeugt der potenzielle Hauptlieferant, die Stadt Shkodra, nach Berechnungen von USAID (United States Agency for International Development) pro Monat rund 2000 Tonnen Müll - das sind etwa 50 Schiffscontainer. "Doch viele umliegende Gemeinden kippen ihre Abfälle weiterhin an Flussufer, verteilt auf mehrere Müllkippen, und warten, dass sie im Frühjahr ins Meer gespült werden", sagt Krause. "Das ist wahrscheinlich dann der Müll, der in Kroatien angespült wird." So sparen die Kommunen die Entsorgungsgebühren. Auch die Müllhalden von Shkodra liegen gut sichtbar am Stadtrand, am Rande des Flusses Kir.

Porträt des deutschen Müllmanagers Wolfgang Krause (Foto: DW / von Mirbach)
Müllmanager Wolfgang KrauseBild: DW/J. von Mirbach

Mittlerweile reicht es der Bevölkerung: Im April setzte ein breites Bündnis aus Grünen, Umweltschützern und der sozialistischen Oppositionspartei PS ein Referendum durch, mittels dessen zumindest die Müllimporte gestoppt werden sollen. Ende Dezember wird abgestimmt - aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich die Bevölkerung gegen die Importe aussprechen. Zu dem Zeitpunkt wird die PS auch die Regierungsverantwortung übernommen haben - denn sie gewann die Parlamentswahlen im Juni. Wenn sie den Willen der Bevölkerung umsetzt, dürften die Wertstoffimporte verboten oder zumindest beschränkt werden.

Mit einem Verbot der Müllimporte allein lässt sich das Müllproblem Albaniens nicht lösen. Die Verschmutzung durch den landeseigenen Abfall bleibt - zum Leidwesen von Umweltschützern, Investoren, der albanischen Bürger und der Natur.